Selbstgemacht und glücklich
Besprechung der Ausstellung »Wege zum Glück – Linz neugedacht und selbstgemacht« im Nordico Stadtmuseum LinzDas Nordico Stadtmuseum lädt diesen Herbst ein, Linz »neu zu denken und selbst zu machen«. Beispielgebend fungieren dabei 35 Projekte und Initiativen aus den Bereichen do it yourself, Recht auf Stadt sowie regionale und ökologische Wirtschaftskreisläufe. Die von Klaudia Kreslehner kuratierte Ausstellung Wege zum Glück bespielt dabei fünf Räume und deckt ein zeitliches Spektrum von 1985 (mit dem Verein Migrare) bis hin zu großteils aktuellen Impulsen ab. Zusätzlich zu neunzehn direkt in und um Linz verankerten Projekten zeigt die Ausstellung auch gelungene Beispiele aus anderen Regionen Österreichs und dem deutschsprachigen Ausland wie z.B PumpiPumpe aus Basel.Bevor man die Ausstellungsräume im 1. Stock erreicht, gibt es im Linzer Zimmer einen Beitrag der Siebdruckwerkstatt der Kunstuniversität Linz zu sehen. Das Thema Glücksorte soll dazu animieren, sich selbst auf die Suche nach dem Glück zu machen. Im Raum aufliegende und von den StudentInnen eigens gestaltete Stadtkarten helfen dabei die Umgebung des Museums zu erkunden und den einen oder anderen Glücksort zu finden.
In drei thematische Schwerpunkte und ein openLab ist der Hauptbereich der Schau unterteilt. Auffällig ist von Anfang an die Verwendung von Schlagwörtern zur Rahmung und Benennung der Schwerpunkte, sonstige Texte sind hingegen sehr schlicht und kurz gehalten. Mit Menschen lautet der Titel des ersten Bereichs. Im Fokus sind hier Projekte, die sich dem community building, der Inklusion und dem Austausch verschrieben haben. Unterschiedliche Versionen der Nachbarschafts- und Integrationsförderung werden gezeigt. Etwa jedes dritte Projekt wird außerdem mit einem Kurzfilm präsentiert, der über in die Architektur eingebettete Screens abläuft. Speziell für die Ausstellung produziert, ist diese visuelle Aufarbeitung von guter Qualität, erinnert aber oft an Werbefilme, die die Reflexion nicht fördern und auch weiter wenig Input liefern.
Im zweiten Raum stellt sich die Frage nach der Produktion von und die Versorgung mit Lebensmitteln in urbanen Räumen. Man sieht von den mittlerweile gut bekannten Gemüsekistln, hin zur Rettung der Biene und urban farming-Projekten viel aber nichts wirklich Neues. Als ausgefalleneres Projekt überzeugt Hut und Stil. Durch Entwicklung eines Kreislaufs zur urbanen Pilzzucht wird es möglich innerhalb von Stunden frisch und nachhaltig zu produzieren.
Als thematische Vorgabe soll uns der Zwischenraum im dritten Bereich das Bespielen, Planen und Bereitstellen in seinen unterschiedlichsten Möglichkeiten darlegen; Community Education, das Eröffnen von Kunsträumen wie dem Egon-Hofmann-Haus, Empowerment der Bevölkerung durch Aktivierung und Hannah Kordes mobiler Raumwagen wie auch alternative Wohnformen werden aufgezeigt. Überraschend und fast schon erfrischend ist das Projekt Turmeremit (Ein urbaner Denk- und Rückzugsort), das auch einer individuellen und einzelgängerischen Suche nach Wegen des Glücks Platz in der Ausstellung einräumt.
Der letzte Bereich ist als OpenLab gestaltet und soll BesucherInnen wie MacherInnen Raum zur Interaktion bieten. Ergebnisse einer Do-it-yourself-Möbelbau-Aktion, einige Tische zum Debattieren und Diskutieren sowie eine Bibliothek sind die HauptakteurInnen. Die Bücher laden zum Verweilen ein, da auch theoretische Ansätze wie zum Beispiel Social Design von Claudia Banz oder Art of Urban Intervention aufliegen. Ob das OpenLab allerdings ohne kuratierte Aktivierung funktioniert, ist fraglich.
Den Abschluss bildet die bei Ausstellungen im Trend liegende und fast schon obligatorische Mitteilungswand. Es wäre vielleicht an der Zeit über alternative, inkludierende Elemente in der Ausstellungsgestaltung nachzudenken. Auch wenn diese Wände fleißig mit Notizen beklebt werden, wo ist der Output, welche Transformationsvorschläge für unsere Gesellschaft können wir wirklich daraus gewinnen?
Ganz im Zeichen eines Ready-made- und Do-it-yourself-Spirits ist auch die Ausstellungsarchitektur von mia2/Architektur angelegt. Menschenhoch zusammen-gesetzte Würfel-Elemente ergeben turmartige Strukturen, die die klassische Ausstellungswand zerstückeln und mitten in den Raum holen. Neben einem mittelgrau als einzig benutzter Farbe dominieren unbehandelte Oberflächen von MDF- und Pressspannplatten.
Der wohl fruchtbarste und interessanteste Aspekt von Wege zum Glück ist das umfangreiche Veranstaltungsprogramm. Im Rahmen der Ausstellung laden diverse Aktionen, meist direkt von Beteiligten der Initiativen abgehalten, zum Mitmachen ein: Durch Stadtspaziergänge und Workshops werden urbane Gemeinschaften erlebbar und Vernetzung Gleichgesinnter möglich. So genannte Glückswerkstätten, bei denen einige der vorgestellten Projekte tiefere Einblicke in ihre Arbeitsweisen und Gemeinschaften geben, könnten lohnend sein. Stadt selber machen ist das Motto.
Wege zum Glück bietet einen guten Ein- und Überblick für all jene BesucherInnen, die sich mit den gezeigten Thematiken noch nicht ausführlicher beschäftigt haben. Für solche, die über Wissen zum Thema verfügen, bittet die Ausstellung relativ wenig inhaltliche Auseinandersetzungsmöglichkeit. Schade, dass es keinen Katalog gibt, der eine wunderbare Möglichkeit geboten hätte, die präsentierten Projekte weiterführend zu besprechen und BesucherInnen ausgiebigere Einblicke zu gewähren. Deshalb lohnt es sich, die im Oktober kommenden Rahmenveranstaltungen im Blick zu behalten und den Initiativen beim tatsächlichen Tun über die Schulter zu schauen. Lieber raus aus dem Museum, aktiv werden und verhindern, dass die Stadt selbst zu einem wird.
Studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien - Institut für Kunst und Architektur (MArch 2020). Er interessiert sich für die Parameter der räumlichen Verteilung, die verborgenen politischen und finanziellen Prozesse der Architekturproduktion und alternative Ansätze. Er arbeitet ua. in den Bereichen: Architekturtheorie, Architekturkonzeption, Dokumentation, raumgreifende Performances/Installationen und Stadtforschung.