Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Die ErrichterInnen von Shopping-Malls, Urban Entertainment Centers, Erlebnisparks etc. werben bei Kommunen oft mit dem Arbeitsplatzargument. Damit sollen Widerstände abgewehrt und die Kommunen dazu gebracht werden, die Ansiedlung der Betriebe nicht nur nicht zu verhindern, sondern zu unterstützten. Speziell große Konzerne, wie z.B. Disney, beherrschen es sehr gut, Städte gegeneinander auszuspielen oder unter Druck zu setzen und diese zu zwingen, Steuernachlässe zu gewähren, Grundstücke billig zu verkaufen oder gar herzuschenken, über stadtplanerische oder umweltliche Bedenken hinwegzusehen. Dem Disney-Konzern gelingt es z.B. regelmäßig, die eigenen Investitionskosten bei seinen Projekten gering zu halten und sich von den Kommunen und der lokalen Wirtschaft direkt oder indirekt sponsern zu lassen. Als Beispiele mögen hier der Times Square (siehe Buchbesprechung »Last Exit Disneyland?«) oder Disneyland Paris dienen. Ein anderes Beispiel ist der Bau des Daimler-Zentrums am Potsdamer Platz in Berlin, wo die Stadt Berlin den Grund so billig an den milliardenschweren Konzern verscherbelte, dass die EU das als Subvention wertete und Daimler zu einer Nachzahlung zwang. Für Österreich können in diesem Zusammenhang die diversen Projekte des Frank Stronach angeführt werden. Bei der Errichtung seiner Pferderennbahn in Ebreichsdorf werden ganz klar umweltrechtliche EU-Vorschriften verletzt, was offensichtlich offiziell geduldet wird.

Schaffung von Arbeitsplätzen, Öffnungszeiten, Arbeitsbedingungen

Das Arbeitsplatzargument löst sich bei näherem Hinsehen meist in Luft auf. Die geschaffenen Arbeitsplätze sind in der Mehrzahl schlecht bezahlt und entsprechen atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Durch den Verdrängungswettbewerb werden kleinere AnbieterInnen vom Markt gedrängt und Arbeitsplätze vernichtet. Beim CentrO Oberhausen, einem riesigen Entertainment Center inkl. Freizeitpark, dutzenden Restaurants, Megaeinkaufszentrum, Multiplex etc., das von Stadt, Land und EU mit 1,75 Mrd. Schilling gefördert wurde, gingen 2300 der »geschaffenen« Arbeitsplätze auf eine bloße Verlagerung aus den umliegenden Stadtzentren zurück. In Österreich ging die Zahl der im Handel Beschäftigten (nach Köpfen gezählt) von 421.342 ArbeitnehmerInnen 1995 auf 412.402 im Jahresdurchschnitt 1999 zurück. Eine Erhöhung der Zahl der Beschäftigten in einem bestimmten Sektor oder einer bestimmten Zeitspanne ist meist nur eine Folge einer Umschichtung von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung. Seit 1970 hat sich die Zahl der Lebensmittelgeschäfte halbiert, zehn Prozent der österreichischen Gemeinden haben keinen Nahversorger mehr. Die Verkaufsfläche im Einzelhandel ist dagegen drastisch gestiegen (1976: 5,5 Mio. m2; 1996: 12,1 Mio. m2). Shopping-Malls sind dabei Vorreiter in Sachen Deregulierung des Arbeitsrechts und Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Die BetreiberInnen können sich die oft lächerlich geringen Strafen für eine Verletzung der Regelung der Ladenöffnungszeiten locker leisten und setzen darauf, durch regelmäßiges Ignorieren der Gesetze, den Druck auf den Gesetzgeber zu erhöhen, die entsprechenden Gesetze im Sinne der Shopping-Malls und großen Handelsketten zu novellieren. Handelsketten setzen auf die Methode, erst einmal einen Fuß in der Tür haben zu müssen, um dann im Laufe der Jahre die Forderung Schritt für Schritt umsetzen zu können. So forderte die Wirtschaftskammer beispielsweise letzten Oktober, jene Zugeständnisse an die ArbeitnehmerInnen, die mit der Einführung der Arbeit am Samstagnachmittag gewährt worden waren, abzuschaffen: Die Regelung über den freien Samstagnachmittag soll nach den Wünschen der Sektion Handel in der Wirtschaftskammer genauso fallen wie die geltenden Zuschläge für erweiterte Öffnungszeiten. Weiters stehen u.a. auf dem Wunschzettel: die Erweiterung des Rahmens für die Leistung von Überstunden und die ersatzlose Streichung von Überstundenzuschlägen für Arbeit an den Weihnachtssamstagen nach 13 Uhr .

Besonders verärgert sind GewerkschafterInnen der GPA, dass der deutsche »Öffnungszeitenexperte« Uwe Täger, dessen Prognosen über den Anstieg der Arbeitsplätze in Folge einer Liberalisierung der Öffnungszeiten in Deutschland sich bald als falsch herausstellten, nun von Minister Bartenstein auch nach Österreich eingeladen wurde. Täger sagte 1995 für Deutschland nach der Liberalisierung der Öffnungszeiten einen Zuwachs beim Einzelhandelsumsatz von 140 Mrd. Schilling voraus. Die Zahl der Arbeitsplätze im Handel sollte laut Täger um 50.000 wachsen. Das Ergebnis der Liberalisierung war eine massive Reduzierung von Vollzeitarbeitskräften und sozialversicherten Teilzeitkräften zugunsten eines Anstiegs der sozial nicht abgesicherten geringfügig Beschäftigten. GewinnerInnen der Liberalisierung der Öffnungszeiten waren fast ausschließlich umsatzstarke Betriebe mit großen Verkaufsflächen und geringer Personalbesetzung. (HBV) Im September 2000 meldete das deutsche Statistische Bundesamt, dass die Zahl der Beschäftigten im Handel im ersten Halbjahr 2000 um 1,4 Prozent zurückgegangen ist. Für den Einzelhandel bedeutete dies den fünften Rückgang bei den Halbjahreszahlen in Folge. Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Nielsen zeigt, dass die meisten HändlerInnen in Österreich ihre Geschäfte vorrangig nicht deswegen länger aufsperren, weil sie glauben, damit KundInnenwünsche zu befriedigen, sondern weil es der Konkurrenzdruck verlangt. Die selbe Studie ergab, dass 16 Prozent der Vollzeitbeschäftigten und rund 13 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Mehrarbeit weder bezahlt noch in Zeitausgleich abgegolten bekommen. Nur 59 Prozent der Handelsangestellten können von sich behaupten, die ihnen zustehenden Zeitzuschläge als Ausgleich für längere Öffnungszeiten vollständig zu erhalten. Eine Mitbestimmungsmöglichkeit bei der Arbeitszeiteinteilung ist für die Beschäftigten nur selten gegeben. Ist sie gegeben, gilt das nur für die Stammbelegschaft und geht zu Lasten der so genannten Randbelegschaft. Die ungünstigen Arbeitszeiten werden von 65,5 Prozent jener, die ihren Arbeitsplatz in einem Handelsbetrieb verlassen haben, als Grund dafür genannt. Die schlechte Bezahlung nimmt hier mit 23,6 Prozent Platz zwei ein. (GPA, Handel im Wandel) Frauen sind von den Auswirkungen der Konzentrationsprozesse im so genannten Versorgungshandel (dazu zählen Supermärkte und Diskonter) besonders betroffen. Der Konkurrenzkampf unter den immer weniger werdenden Handelsketten wird hauptsächlich über den Preis ausgetragen. Personalkosten werden gesenkt, so weit es geht. Aus- und Weiterbildung für Mitarbeiterinnen fallen praktisch komplett weg. Auch die Zahl der ausgebildeten Lehrlinge geht im Handel extrem stark zurück (1976: 39.000; 1997: 18.000) Die beruflichen Aufstiegschancen für Frauen haben Grenzen, die im besten Fall bei der Position einer Filialleiterin enden. Hauptgründe dafür, warum die Karriere in den allermeisten Betrieben spätestens hier endet, sind Teilzeitbeschäftigung und Kinder. Eine längere Arbeitszeit ist mit den »familiären Verpflichtungen« nicht vereinbar.

Im Vergleich zu Beschäftigten in anderen Sparten fühlen sich Handelsbeschäftigte überdurchschnittlich belastet. Genannt werden belastende äußere Umwelteinflüsse wie Lärm, Hitze, Zugluft und Kälte, körperlich anstrengende Arbeit durch Heben schwerer Lasten und psychische Belastungen, die vor allem durch Verantwortung, Zeitdruck, Eintönigkeit und Zwang zur Freundlichkeit entstehen. Bei einer Umfrage unter Beschäftigten in Einkaufszentren, darunter SCS und Donauzentrum, zeigte sich, dass die Arbeit unter Zeitdruck selbst für 34,3 Prozent jener, die ihren Arbeitsplatz als »sehr gut« bezeichnen (das waren 13,5 Prozent der Befragten), eine Belastung darstellt. An zweiter Stelle wird der störende Lärm genannt (GPA). Die generelle Arbeitszufriedenheit ist extrem gering. Bei einer ISMA-Umfrage zu den Arbeitsbedingungen im Handel gaben 34 Prozent an, dass sie, stünden sie noch einmal vor der Wahl, »auf keinen Fall« mehr in einem Handelsbetrieb arbeiten würden.

Umwelt und Verkehr

Die Ausweitung von Shopping-Malls durch Erlebnisparks bzw. umgekehrt führt zu einem unglaublichen Flächenverbrauch. Bei kommerziellen Freizeitanlagen beträgt der Flächenverbrauch bis zu 300 ha. Der Grad der Flächenversiegelung nimmt tendenziell zu. Neu zu bauende Verkehrswege können Biotopverbundsysteme unterbrechen, technische Installationen die Grundwasserneubildung beeinträchtigen. Bei Erlebnisparks kommt es durch aufwendige Attraktionen zu einem enormen Wasser- und Energieverbrauch. Nicht zu unterschätzen ist auch der Lärm durch technische Anlagen und BesucherInnen sowie die Auswirkungen auf Flora und Fauna durch die Veränderung ehemals naturnaher Landschaften. Eine der bedeutsamsten Folgeerscheinung von Entertainment- und Shoppingeinrichtungen auf der grünen Wiese ist das Verkehrsaufkommen. Dem öffentlichen Verkehr sowie »weichen Verkehrsarten« wie FußgängerInnen- und Fahrradverkehr kommt meist eine geringe Bedeutung zu. »Die Autokundenorientierung zeigt sich nicht nur daran, dass solche Standorte bevorzugt werden, die über eine überdurchschnittliche Erreichbarkeit für Pkw-Besucher verfügen, sondern auch in den speziell auf motorisierte Kunden ausgerichteten Vermarktungskonzepten.« (Klimmer)

Auswirkung auf die Stadtentwicklung

Die Konzentration von Shopping- und Eventeinrichtungen am Stadtrand hatte in vielen Fällen einen Bedeutungsverlust der bestehenden Stadtzentren zur Folge. In Wien trifft das nicht auf alle Bereiche zu, da der erste Bezirk als »Freilichtmuseum« stets ein Anziehungspunkt für StädtetouristInnen bleiben dürfte. Die innerstädtischen Einkaufsstraßen sind auch bemüht, der Anziehungskraft der Shopping City Süd etwas entgegenzusetzen, und die größeren wie Mariahilfer Straße oder Kärntner Straße schaffen es auch. Weniger attraktiven Straßen können bei diesem Konkurrenzkampf kaum mithalten und die Zahl der leeren Geschäftslokale nimmt rasant zu. Ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen Stadtzentrum und Stadtrand bzw. grüner Wiese ist bei Multiplexen und Erlebniseinrichtungen zu beobachten. Der Prater als relativ zentral gelegene Unterhaltungseinrichtung spürt deutlichen Druck durch geplante Erlebnisparks in der Umgebung von Wien.

Die hohe Nutzungsintensität der diversen Shopping- und Erlebniszentren erfordert von den Kommunen oft große Infrastrukturinvestitionen, die die Budgets stark belasten und zu einer einseitigen Ausrichtung auf Megaprojekte führen. Speziell bei kleineren Ansiedlungsgemeinden führen große Einzeleinrichtungen zu einem enormen Abhängigkeitsverhältnis und zu »Abstimmungsproblemen aufgrund der ungleich gewichteten Vor- und Nachteilsrelationen« (Klimmer). Eine deutsche Untersuchung hat gezeigt, dass die erwarteten positiven wirtschaftlichen Auswirkungen bei Freizeitgroßeinrichtungen für Gemeinden im Normalfall nicht eintreten. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sind meist geringer als erwartet, die Ausgaben im Verwaltungs- und Infrastrukturbereich dafür meist höher als kalkuliert. Bei Erlebnis-, Freizeit-, und Themenparks führen hohe Eintrittspreise zu einer sozialen Segregation, deren Auswirkung am stärksten ist, wenn die privaten Anlagen ehemals öffentliche ersetzen bzw. verdrängen. Zur sozialen Segregation trägt auch die notwendige Mobilität zum Besuch der Einrichtungen bei, über die einkommensschwache Gruppen nicht verfügen. Abschließend soll betont werden, dass hier keinesfalls einer romantischen Verklärung des Greißlerwesens das Wort geredet werden sollte. Absicht war es, wieder einmal auf die vielen vermeintlich kleinen Probleme hinzuweisen, die den immer zahlreicher und gleichzeitig unkritischer werdenden Fans von Shopping-Malls, Urban Entertainment Destinations, Erlebniswelten etc. meist keine Silbe wert sind.


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Literaturliste

Diverse Broschüren und Unterlagen der österreichischen Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) sowie der deutschen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Dankenswerterweise zur Verfügung gestellt von Erich Reichelt (GPA).

Institut für Strategische Markt- & Meinungsforschung. AK-NÖ. Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Handel. Juli 1999.

Christian Pesendorfer, Bruno Schernhammer. Arbeitszeiten in der Privatwirtschaft. AK Wien 1998.

Klimmer, Astrid. Freizeitparks. Dissertation Wien 2000.

Ronneberger, Klaus. Die Stadt als Beute. Bonn 1999.

Roost, Frank. Die Disneyfizierung der Städte. Opladen 2000.