Sklaverei, Exotismus, Rassismus
»Angelo Soliman. Ein Afrikaner in Wien«, Ausstellung im Wien MuseumDie Ausstellung Angelo Soliman - Ein Afrikaner in Wien erzählt zumindest zwei Geschichten. einmal die ganz persönliche gleichwohl zumeist fremdbestimmte Geschichte eines Menschen, der als Kindersklave aus Afrika über mehrere Stationen nach Wien kam und hier – die längste Zeit als Kammerdiener der Familie Liechtenstein – mehrere Jahrzehnte bis zu seinem Tod lebte. Das andere Thema der Ausstellung ist Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus. Die beiden Themen überschneiden sich natürlich und Angelo Solimans Biografie hätte völlig anders ausgesehen, hätte es keine Sklaverei gegeben. Aber sie ist mehr als die eines Kindersklaven, der nach Europa verkauft wurde.
Angelo Soliman wurde ca. 1721 im subsaharischen Afrika geboren, über die genauere Herkunft gibt es zahlreiche Angaben, die jedoch entweder offensichtlich falsch oder nicht nachweisbar sind. Die Ausstellung zeigt die großen und bekannten Handelsrouten für SklavInnen, deren europäische Zentren zu jener Zeit Messina und Konstantinopel waren. Sie erzählt, dass die SklavInnen von »afrikanischen Menschenräubern« gefangen und von arabischen Händlern zumeist im Mittelmeerraum weiterverkauft wurden. Warum der Sklavenhandel in der Ausstellung als »europäische Institution« bezeichnet wird, ist nicht ganz klar, zeigt doch die Ausstellung selbst, dass auch der innerafrikanische Sklavenhandel sehr umfangreich war und sich sowohl Heere als auch reiche Haushalte in großer Zahl auf SklavInnen stützten. Im Ausstellungskatalog verweist man in diesem Zusammenhang ausweichend auf eine »intensiv und kontrovers debattierte Thematik« und die »kaum noch zu überblickende Menge an Literatur mit zum Teil sehr unterschiedlichen Deutungen«.
Angelo Soliman, der eigentlich MMadi Make hieß, kam 1730 über Messina nach Europa und erhielt – wie für SklavInnen damals üblich – den Nachnamen seiner Besitzerfamilie. Von 1734 bis 1754 war Soliman Diener, Soldat und Vertrauter des Habsburger Feldmarschalls Georg Christian Lobkowitz. Der Einsatz von Afrikanern als Soldaten war übrigens durchaus üblich, galten sie einem der zahlreichen Klischees zur Folge doch als furchterregende und tapfere Krieger. Ab 1754 lebte Soliman in Wien und arbeitete als Kammerdiener bei Fürst Wenzel I. von Liechtenstein. Afrikanische Diener zu beschäftigen galt damals als äußerst angesagt, speziell Kinder, die die Rolle von so genannten »Kaffeemohren« spielten, waren sehr beliebt, wie ihre Abbildung auf zahlreichen Gemälden zeigt. Solimans Stellung war jedoch eine völlig andere. Sie ging über die eines schicken, exotischen Dieners weit hinaus. er verdiente nicht nur das Mehrfache anderer Dienstboten sondern hatte als »Hofmohr« auch die Position eines Beraters und Vertrauten. »Als Kammerdiener stand er zu einem der mächtigsten Männer der Monarchie (und zu dessen Familie) in einem engen persönlichen Verhältnis – dessen Ambivalenzen sich uns natürlich entziehen.« (Walter Sauer im Katalog). 1764 ermöglichte ihm ein hoher Spielgewinn ein selbständiges Leben zu versuchen. er heiratete heimlich, was seine (beabsichtigte?) Entlassung zur Folge hatte, erwarb ein Haus in der Wiener Vorstadt und lebte mit seiner Frau für einige Jahre ein neues Leben. Später trat er – wohl aus finanzieller Notwendigkeit – jedoch wieder in die Dienste der Familie Liechtenstein ein und arbeitete für sie bis zu seiner Pensionierung. Nach seinem Tod wurde Solimans Körper beschlagnahmt, ausgestopft und zehn Jahre im kaiserlichen Naturalienkabinett als »edler Wilder« ausgestellt. Proteste seiner Tochter, die ein christliches Begräbnis forderte, halfen trotz Unterstützung durch den Erzbischof nichts. Derartige Zurschaustellungen waren damals nicht unüblich, gleichwohl nicht mehr Stand der Wissenschaft. Sie betrafen ausschließlich AfrikanerInnen, EuropäerInnen wurden nur ausgestellt, wenn sie durch besondere körperliche Missbildungen gekennzeichnet waren.
Dass Solimans Leben nicht das eines normalen Sklaven war, zeigt die mehr oder weniger unmittelbar nach seinem Tod einsetzende Beschäftigung mit seiner Biografie und die vielen Legenden, die sich darum ranken. ein sehr wichtiger Aspekt der Ausstellung ist, dass sie auch die Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation von AfrikanerInnen und Schwarzen in Wien anstößt. Viele Jahre der rassistischen Berichterstattung in den österreichischen Krawallmedien haben ein völlig verzerrtes Bild geschaffen, das in Österreich lebende Schwarze fast ausschließlich mit Drogenhandel und Asyl, das wiederum im österreichischen Denken fix mit Kriminalität verknüpft ist, in Zusammenhang bringt. Hier andere Sichtweisen und Realitäten einzubringen ist ebenso verdienstvoll wie notwendig.
—
Ausstellung
Angelo Soliman
Ein Afrikaner in Wien
Wien Museum Karlsplatz
29. September 2011 bis 29. Jänner 2012
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.