Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Städte – Sprachen – Kulturen lautete der Titel eines Symposiums, das die Stadt Mannheim Ende September gemeinsam mit den in Mannheim ansässigen Sprachinstitutionen Goethe-Institut, Duden und Institut für Deutsche Sprache veranstaltet hat. Die Ausgangsthese für das Symposium war, dass die Städte des 21. Jahrhunderts zu „Knotenpunkten für internationale Arbeitsmärkte, Mobilität und Immigration“ werden bzw. in vielen Fällen bereits geworden sind. Mannheim selbst hat unter den deutschen Städten einen der höchsten MigrantInnenanteile an der Gesamtbevölkerung und offizielle VertreterInnen vermitteln den Eindruck, darauf stolz zu sein. Der Hinweis, dass sich in Mannheim seit vielen Jahren zentrumsnah eine große Moschee befindet, gehört in offiziellen Stellungnahmen ebenso zum Standardrepertoire wie das Herausstreichen der teils sehr interessanten Stadtteilprojekte, die Bildungsangebote speziell für MigrantInnen bieten, Jugendlichen Raum zur Verfügung stellen oder die Tatsache, dass in Mannheim 170 Sprachen gesprochen werden. (Die Anzahl der gesprochenen Sprachen in einer Stadt hat sich mittlerweile zu einer inoffiziellen Benchmark für den Grad an Urbanität und Internationalität entwickelt.)

Einen der interessantesten und vor allem informativsten Vorträge bot Steve Vertovec, Direktor des Max-Planck-Instituts zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen. Er kann auf ein sehr genaues Datenmaterial zugreifen und die Veränderung, die Migration seit 1990 erfahren hat, im Detail nachzeichnen. Gab es vor 1990 noch ganz klare Verbindungen zwischen Emigrations- und Immigrationsländern, die dazu führten, dass eindeutig war, aus welchen Ländern Menschen in welche Länder auswandern (Inder und Pakistani nach England, AlgerierInnen nach Frankreich, TürkInnen nach Österreich und Deutschland etc.) gibt es heute viel mehr und kleinere Gruppen, die auf ganz unterschiedlichen Wegen in eine große Zahl von Zielländern wandern. Dazu kommt, dass sich auch die rechtlichen Status der MigrantInnen in immer mehr Varianten aufteilen, was eine viel differenziertere Integrationspolitik notwendig macht. Vertovec’ Präsentation zeigte deutlich, wie weit weg von der Realität die offizielle Politik (ich spreche hier vorrangig von der österreichischen) ist und wie viel es noch aufzuholen gilt. Als Beispiel wie es anders gehen könnte, diente der Vortrag von Peter Lobo, stellvertretender Direktor der Population Division der Abteilung für Stadtplanung New York. So bietet die Stadt New York z.B. ein kostenloses telefonisches Übersetzungsservice in rund 180 Sprachen, das EinwandererInnen z.B. benutzen können, um sich die Diagnose eines Arztes übersetzen zu lassen.

So erfreulich es insgesamt ist, dass MigratInnen nicht mehr automatisch als „Problem“ behandelt werden und ihnen die Chance gegeben werden soll, ihre Potenziale besser auszuschöpfen, ist das neue Paradigma MigrantInnen in erster Linie als „Ressource“ zu sehen und damit ein positives Bild von Migration zu zeichnen auch fragwürdig. Das wurde beim Symposium leider nicht thematisiert. Dazu ist es vielleicht noch zu früh, zuerst muss der Paradigmenwechsel wohl noch vollständig durchgesetzt werden. Auf der Website des Goethe-Instituts (http://www.goethe.de/INS/DE/ORT/man/prj/sks/deindex.htm) können die meisten der Vorträge nachgelesen werden, wofür der Organisation Dank gebührt.

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Symposium
Städte – Sprachen – Kulturen
17. bis 19. September 2008
Congress Center Rosengarten, Mannheim


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