Vom Wunsch, Kultur und Wirtschaft zu verbinden
Dieser Text basiert auf einer Reihe von Artikeln, die in Zusammenarbeit mit Simon Ford in den Jahren 1997 bis 2000 erarbeitet wurden. Um die Wahrheit zu sagen: Teile des Materials scheinen heute leicht überholt. Dies berücksichtigend, werde ich nun untersuchen, was Colin Tweedy, Leiter von Arts and Business: »den Wunsch, Kultur und Wirtschaft zu verbinden« (Sunday Times, 19. Oktober 1997) nannte und wie dies das Arbeitsfeld, in dem KünstlerInnen, KuratorInnen, SchriftstellerInnen und viele andere heute arbeiten, radikal veränderte.
Dieser Text basiert auf einer Reihe von Artikeln, die in Zusammenarbeit mit Simon Ford in den Jahren 1997 bis 2000 erarbeitet wurden. Um die Wahrheit zu sagen: Teile des Materials scheinen heute leicht überholt. Dies berücksichtigend, werde ich nun untersuchen, was Colin Tweedy, Leiter von Arts and Business: »den Wunsch, Kultur und Wirtschaft zu verbinden« (Sunday Times, 19. Oktober 1997) nannte und wie dies das Arbeitsfeld, in dem KünstlerInnen, KuratorInnen, SchriftstellerInnen und viele andere heute arbeiten, radikal veränderte. Des weiteren möchte ich überlegen, wie die Annäherung von wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Agenden im Licht einer strukturellen Veränderung im privatwirtschaftlichen Sektor gesehen werden kann. Wir befinden uns in einer Welt, in der zeitgenössische Kunst immer mehr eine Schlüsselrolle spielt, zum Beispiel in der »neuen« Informationsökonomie oder in öffentlichen Institutionen, die jetzt als Netzwerk-Clubs für AnlegerInnen und KulturunternehmerInnen fungieren.
London: cool und finanzstark?
Eine erfolgreiche und international anerkannte Kunstszene ist sowohl symbolisch als auch wirtschaftlich äußerst wichtig. Sie ist die Avantgarde für andere kreative Felder – Mode, Musik und Design –, ein Gebiet intensiver Forschung und spekulativer Entwicklungen. Als Simon und ich mit unseren ersten Recherchen auf diesem Gebiet anfingen, wollten wir einfach nur sehen, ob eine Verbindung von Londons Aufstieg zur »coolsten Stadt des Planeten« (Newsweek, November 1996) und zum finanzstarken »Tor zu Europa« bestand. Dies führte dazu, dass wir unsere Untersuchungen auf einige Organisationen beschränkten, die mit dem Ziel, für London zu werben, gegründet worden waren. Dies waren unter anderem die Central London Partnership und ihr »Botschafter-Programm«, das Joint London Advisory Panel (gegründet 1995), das Invest in Britain Bureau (1977), die Greater London Group (1998) und das London First Centre (1992). Laut London First war London 1996 »die beliebteste Stadt der Welt«, »die beste Geschäftsadresse Europas«, die »Millenniumsstadt«, »die europäische Paradestadt« und »der globale Dreh- und Angelpunkt« (The London First Annual Report 1996-97). Der Erfolg dieser Unternehmen kann auch an dem Umstand gemessen werden, dass am Ende der 90er Jahre 40% der japanischen, US-amerikanischen und asiatischen Investitionen in Europa nach Großbritannien gingen.
Die Kultur war Teil eines Marketing-Mixes, der London, innerhalb der Europäischen Union, gegenüber seinen Konkurrenten immer einen kleinen Vorsprung einbrachte, insbesondere im Vergleich zu Paris, Frankfurt und Berlin. Es war kein entscheidender, aber trotzdem ein wichtiger Faktor für Topmanager, wenn es darum ging, eine Wahl zu treffen, wo ihr Unternehmen angesiedelt werden sollte. Tony Travers, Leiter der Greater London Group, fasste es damals wie folgt zusammen: »Es geht immer nur um gut überdachte Selbstdarstellung. Die entscheidungsfähigen Kräfte möchten immer an Orten leben und arbeiten, die auf sie selbst positiv abfärben.« (Alison Warner: Capital working city, Financial Times, 27. November 1997)
Einer der vielen Mythen, die Londons spektakuläre kulturelle Renaissance Mitte bis Ende der neunziger Jahre umgibt, war, dass sie ohne staatliche Unterstützung stattfand. Jedoch war Swinging London, neben den schon erwähnten Organisationen und der Industrie- und Handelskammer, stark auf verschiedene staatliche Institutionen angewiesen; angefangen beim London Arts Board bis hin zu den international wichtigen Ausstellungen, die vom British Council getragen wurden. Young British Art, wurde – wie der Name schon sagt – als nationale Kunstbewegung verkauft, und deshalb unterstützte das British Council, als öffentlich-rechtliche Organisation zur Unterstützung britischer Kultur im Ausland gegründet, sie durch die Übernahme von Reise- und Ausstellungskosten. In dieser Zeit wurden KünstlerInnen (und andere VertreterInnen der Kreativindustrie) als kulturelle BotschafterInnen verstanden, die die britische Kultur für ein internationales Publikum neu definierten. Die jungen britischen KünstlerInnen (zusammen mit der arbeitenden britischen Nation als Ganzes) wurden als unternehmerisch, fortschrittlich und unabhängig dargestellt – parallel zum Global-Positioning eines unternehmensfreundlichen Großbritannien der neunziger Jahre. Hier wurden nun also junge britische KünstlerInnen dazu benutzt, die zunehmende gesellschaftliche Ungerechtigkeit und Ungleichheit zu Hause dadurch zu verschleiern, dass sie einen verjüngten Unternehmensgeist im Ausland propagierten.
Während der ersten Phase dieses »Wunsches nach Verbindung von Kultur und Wirtschaft« wird in der Vermarktung und des Global-Positioning der Stadt (mit der vollen Unterstützung des lokalen Marktes) eine Annäherung von kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Agenden sichtbar. Diese Bewegung begleitete den Aufstieg der Young British Art und den spektakulären Aufschwung Londons zur coolsten Stadt der Welt.
Neue Formen des Sponsoring
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen weiteren Aspekt des Wunsches nach Verbindung von Kultur und Wirtschaft nennen: den Einfluss, den die privatwirtschaftliche Strukturierung auf die zeitgenössische britische Kunst und den Kultursektor in Großbritannien hatte. Unternehmensnetzwerke sind heute immer enger mit öffentlichen und kulturellen Feldern verwoben, auf immer komplexere und unterschiedlichere Art und Weise, auch das Sponsoring ist heute nicht mehr so einfach gestrickt wie ehemals. In einer Zeit, die von den Überschneidungen verschiedener Sektoren lebt (dem so genannten Verwischen von Grenzen), haben viele Unternehmen aktiv nach Partnern aus anderen Gebieten gesucht – insbesondere aus Kulturinstitutionen und dem öffentlichen Sektor. Dies hat zu einer weiteren Lockerung der strukturellen Vorgaben und der finanziellen Unterstützung, sowie zu der jetzt vorherrschenden Ansicht geführt, gemeinnützige/staatliche Institutionen seien nicht für eine sich schnell verändernde und ständig wandelnde Kultur geschaffen.
Die Wiedervereinigung des öffentlichen und des privaten Sektors in den späten neunziger Jahren wird an der Verschiebung von Sponsoring von einer »hands off« zu einer »hands on«-Beziehung im Bereich von kulturellen Events und Programmgestaltung sichtbar. Die so genannte »marriage made in heaven«, bei der Unternehmen einfach bezahlen, um mit einem Event, einer Ausstellung oder einer Performance assoziiert zu werden, scheint heute nur noch eine von vielen Möglichkeiten. Natürlich bezahlen Unternehmen heute immer noch, inzwischen wollen sie aber dafür noch mehr zurück haben. Diese Rückzahlungen können in Form von Schaffung einer sozial und ethisch verantwortlichen Selbstdarstellung stattfinden, mit einer Erweiterung von Netzwerken, dem Erschließen eines neuen Kundenkreises, neuen Trainingspersonals (das Kunst- und Vermarktungsansätze neu definiert), Informationsaustausch, Zugriff auf eine größere Gesellschaftsgruppe, und erst seit kurzem durch das Propagieren von »unternehmerischem Einfühlungsvermögen« – wir erinnern uns hier an den lächerlichen Versuch von UBS Warburg, die beiderseitige Unergründlichkeit von zeitgenössischer Kunst und Wirtschaft darzustellen (UBS Warburg und British Council Collection: Brit Art, Ausstellungskatalog, März 2001).
In London sehen wir diese Rückzahlungen oder die neuen Formen der Unternehmenseinbeziehung ab Mitte der neunziger Jahre auch im Einzelhandel: Habitat, Emporio Armani, Harvey Nichols, Browns, Levi’s und viele andere Ketten entwickeln nun ihre eigenen KünstlerInnen-/Sponsoring-Programme.
1996 wurde eine Allianz zwischen Habiat und der Observer Media Group plc gegründet. Als Grundlage diente das Habitat Art Broadsheet, mit dem Ziel, eine gemeinsame KundInnendatenbank für Vermarktungszwecke zu schaffen. Diese Datenbank bestand hauptsächlich aus Namen, die durch das Abonnement des Broadsheets gesammelt worden waren, sowie der Einladungsliste von In-Store-Ausstellungen. Diese Strategie war mit dem »Relationship Marketing« kurzgeschlossen, bei dem KundInnen ihre persönlichen Daten wie Einkommen und Lebensstil gegen Spezialangebote und »Treuekarten« preisgaben. Das Habitat-Team, geführt von Ben Weaver (Pressesprecher) und Carl Freedman (freier Kurator), verkaufte das Projekt an KünstlerInnen als eine Möglichkeit, ein neues Publikum zu erreichen – eine Alternative zum elitären Galeriensystem, eine Chance für zeitgenössische Kunst »am Alltagsleben teilzunehmen« (Habitat-Pressebrief, November 1996). In diesem Fall sah die Teilnahme am Alltagsleben so aus, dass man die »freundliche Unterstützung« der Habitat-KundInnen/Angestellten erhielt und einen Artikel im Guardian und dem Observer bekam.
Something for something
Weitere Formen von Beteiligung entwickelten sich dadurch, dass Unternehmen begannen, eine Möglichkeit einer gleichberechtigten Partnerschaft oder Allianzstrategie für sich zu formulieren. Dies war ein weiterer Schritt weg vom »something for nothing«, dem philanthropischen Mitleidsmodell, hin zu einem »something for something«, oder Vertragsmodell, bei welchem Marketingabteilungen kulturelle (und oft auch soziale und umweltpolitische) Programme als festen Bestandteil ihrer ethisch korrekten Verkaufsstrategien zu sehen begannen. Wie Rick Little von der Global Alliance for Workers and Communities erst vor kurzem bemerkte: »Sich mit einer größeren Gesellschaftsgruppe kritisch zu befassen, bringt einem Unternehmen genauso viel wie eine Werbekampagne.« (Michael Skapinker, Philanthropy during a downturn, Financial Times, 27. April 2001). In diesem Zusammenhang kann auch die veränderte Terminologie des Kunstsponsorings gesehen werden – weg vom »gesponsert von« hin zu einem »in Zusammenarbeit/Kooperation mit«.
In gewisser Weise ist dies ein Merkmal einer neuen Agenda, welche auf Allianzen aufbaut, sowie einer immer stärker von Unternehmen abhängigen kulturellen Programmierung. In London hat das zu immer komplexer werdenden Formen von Organisation geführt. Viele davon sind nicht länger galerie- oder institutionsgebundene Partnerschaften und nicht länger orts-, finanz- oder diskursgebunden. Sämtliche dieser Organisationsformen sind nur noch informations- und netzwerkabhängig und umfassen KünstlerInnen, AutorInnen sowie KuratorInnen, anders aber als Galerien und kulturelle Institutionen sind sie nicht ausschließlich an die Produktion, Legitimation und Vermarktung von Kunst gebunden.
Es ist möglich, hier Parallelen zu den »knowledge-based«-Netzwerkmodellen im privatwirtschaftlichen Sektor zu ziehen, zum Beispiel First Tuesday und The Fourth Room: First Tuesday war der marktführende Matchmaking-Club für InternetunternehmerInnen und –anlegerInnen, bevor er Anfang des Jahres zusammenbrach. The Fourth Room ist eine Londoner »hangout zone« für Corporateexecutives und andere »Individuen in leitenden Positionen«. Gegen einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von £10 000 erhält man wöchentlich eine Hauszeitschrift, die einem die »neuesten Trends in der Kultur und die sich verändernden Strukturen und Anschauungen« (The Fourth Room company brochure, 2000) näher bringt. Piers Schmidt, Mitherausgeber des Fourth Room: »Alles dreht sich um Zusammenarbeit; deshalb versuchen wir leitende Angestellte mit UmweltaktivistInnen beim Frühstück zusammenzubringen.«
Auch viele gemeinnützige Institutionen haben während der letzten zwei Jahre stärker mit Unternehmen zusammengearbeitet und nach neuen Wegen gesucht, um Kultur zu finanzieren. Simon und ich wurden zuerst während des Imaginaria Award 1998-99 auf das Institute of Contemporary Arts (ICA) aufmerksam. Hier gab es einige interessante Aspekte – insbesondere die Auswahlkriterien, die der Jury vorlagen und deren Verbindung mit Cap Geminis jeweilig vorgeschlagener globaler Marktpositionierung. Cap Gemini, heute Cap Gemini Ernst and Young, ist eine der weltgrößten Firmen für Management Consulting und Computer Service, und als solche daran interessiert, Ansätze zu unterstützen, welche als »Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst um neue Perspektiven bemüht sind ...« (Cap Gemini/ICA Imaginaria Jurykriteria, 1999). Der Preis stand außerdem nicht nur KünstlerInnen offen, sondern auch WissenschaftlerInnen, TechnikerInnen und »Menschen aus der Wirtschaftswelt«.
Damals interessierte uns hauptsächlich die Sitzordnung für das anschließende Abendessen und die Unterteilung der verschiedenen Gäste in Gruppen. Es war eine Auswahl wichtiger RepräsentantInnen von Kreativen, Regierungsangehörigen, Prominenten, ArchitektInnen, Menschen aus der Wirtschaft und so weiter. Neben der »kritischen Selbstdarstellung«, Assoziation und anderen offensichtlichen Aspekten, von denen man beim Sponsoring profitieren konnte, gab es auch noch versteckte Faktoren. Diese waren Vorteile für beide Seiten: eine nach außen hin sichtbare Partnerschaft von Cap Gemini und ICA, in ihrer Rolle als Netzwerkvorreiter (Zusammenführung von Sektoren), die symbolische Verbindung von »cutting edge«-Kultur und Wirtschaft sowie das Erreichen der digitalen Kunstgemeinschaft und ihres Netzwerks in Großbritannien. Es wurde immer wieder festgestellt, dass der einzige Aspekt eines kulturellen Events, der die großen Unternehmen interessiert, die Parties sind. Deshalb ist dies ein fester Bestandteil der Kulturprogramme geworden, der Teil, in dem wirklich soziale Kontakte stattfinden und geknüpft werden. Dies scheint das ICA umgangen zu haben und unter dem Vorwand des Networking (die Ausstellung, die Preisverleihung und das Objekt) den »logischen« nächsten Schritt getan zu haben, den »Nur für Mitglieder«-Netzwerk-Club zu gründen.
Netzwerke für eine Corporate-Future
The Club wurde vom ICA, in Zusammenarbeit mit dem Goldsmiths College, der Staatlichen Stiftung für Naturwissenschaften, Technologien und Künste (NESTA), Channel 4, dem Kunstministerium und Cap Gemini Ernst and Young gegründet. Es ist ein Netzwerk-Club für KulturunternehmerInnen und, zumindest anfänglich, PädagogInnen, KunstadministratorInnen, Führungskräfte des Fernsehens und WirtschaftsberaterInnen. Es ist eine monatliche Veranstaltung, nur für geladene Gäste, die »ein Netzwerkforum für die Mitglieder« bietet und ihnen verspricht, sie unterschiedlichsten Unternehmen, von Fernsehgesellschaften bis hin zu Anlagefirmen und privaten Organisationen, vorzustellen, die vielleicht gewillt sind, sie zu unterstützen oder Aufträge zu bringen (The Club, Email an die Mitglieder, Juli 2000).
Es ist äußerst schwierig, gegenseitige Abhängigkeiten und die Richtlinien von The Club zu lokalisieren, aber es ist ein gutes Besipiel eines neuen inter-organisatorischen Netzwerks, das vielleicht das Anfangsstadium einer Corporate-Future Großbritanniens darstellt. The Club befindet sich auch im Einklang mit den Richtlinien der britischen Regierung, deren Ziel es ist, ihre Fördergelder umzuverteilen: an kleinere Unternehmen und für gezielten Informationsaustausch sowie »stärkere Veränderung des Managements und weniger direkte Firmenführungsanleitungen« (Kevin Brown, »DTI allocates extra funds to boost enterprise«, Financial Times, 17. Juli 2000).
Als Simon und ich uns zum ersten Mal mit The Club beschäftigten (Juli/August 2000) war es schwierig, jemanden zu finden, der mit uns sprechen wollte. Uns wurde gesagt, dass sich alles noch in einem »embryonalen« Stadium befinde. Mit dem Ergebnis, dass die meisten unserer Informationen aus Pressetexten an die Mitglieder und Telefongesprächen mit dem Pressebüro und teilnehmenden KünstlerInnen stammen. Jetzt, da es ein ausgewachsenes Modell ist und vorsichtig an die Öffentlichkeit herangetragen wird, ist es vielleicht möglich, ein bisschen weiter zu spekulieren. Es gibt noch immer ungeklärte Punkte: So wurden zum Beispiel Organisationen im Pressebrief am Anfang als »mitarbeitend« bezeichnet und später zu Co-Sponsoren umbenannt; dies kann natürlich einhergehend mit den von mir zuvor beschriebenen feinen Verschiebungen in der Terminologie gesehen werden. Ist Channel 4 wirklich aktiv an Entscheidungen beteiligt, oder gibt er nur Geldspritzen? Seine Rolle in The Club war sehr »hands on«, wie auch Simon Jameson (Leitender Berater für Markenstrategien bei C4) in einem erst kürzlich erschienenen Artikel in der Financial Times sagte: »Das ist unser Draht zu jungen kreativen Menschen, die etwas erreichen und die wir vielleicht für eine Zusammenarbeit brauchen werden, wenn wir ein neues Produkt oder einen neuen Service auf den Markt bringen« (Alice Rawsthorn: Young at Art, Financial Times, The Business supplement, 14. April 2001). Die Draht-Metapher funktioniert auch deshalb, weil hier neue Impulse vom Kreativen und Kulturellen in den privatwirtschaftlichen Sektor gesendet werden. Auch zu sehen am Beispiel der Deutschen Bank, die neue Projekte an Designfirmen in Auftrag gab, die sie dort traf (einschließlich Digit, Tomato und Convergent Technologies); andere erhielten »hilfreiche« Ratschläge von Cap Gemini und Channel 4.
Wir sollten uns aber nicht unnötig aufregen. Erst kürzlich sagte Sarah Duke vom ICA-Pressebüro, dass das ICA keine Beziehungen vermitteln würde, weil sie kein kommerzielles Netzwerk wie First Tuesday seien: »The Club muss aus kreativen sowie kommerziellen Projekten bestehen. Immerhin ist dies noch immer das ICA.« (Alice Rawsthorn: Young at Art, Financial Times, The Business supplement, 14. April 2001). Natürlich können wir uns fragen, was das ICA nun eigentlich ist. Einfach gesagt: Es gibt eine Situation, in der kommerzielle Aktivitäten in einem nicht kommerziellen Umfeld nutzbar gemacht werden, wo eine gemeinnützige Institution dem Big Business Kreativität und Kultur zur Verfügung stellt, mit wenig oder ohne öffentliche Diskussion, Transparenz oder Verantwortlichkeit.
Gesponserte Unabhängigkeit
Eine weitere neue Form des Zusammengehens ist jene, die man bei fig-1 beobachten kann, einem Internet- und Kunstraumprojekt, gegründet vom freien Kurator Mark Francis und dem Galeristen Jay Jopling (White Cube) sowie der Finanzinformations- und Dienstleistungsfirma Bloomberg. Eine solche Zusammenarbeit lässt den Anspruch, »in Zusammenarbeit mit Bloomberg« und »unabhängig, non-profit [und] frei von institutionellen und kommerziellen Obligationen« zu sein, merkwürdig paradox erscheinen. Außer natürlich, wenn wir akzeptieren, dass der private Sektor der Hüter von Non-Profit-Organisationen ist und der Garant für »Freiheit« und Autonomie.
fig-1 unterschied sich insofern von The Club, als es weiterhin mit kulturellen Präsentationen und Ausstellungen verbunden blieb, während sein Blick auf eine weiter gefasste Kreativindustrie gerichtet war als nur auf die Kunstwelt. Es war ein einjähriges Projekt, welches vorgab, ein »dynamisches Modell zur Präsentation von Kreativität in der Stadt« (fig-1-Pressebrief/Einladung, 2000) zu sein – aber für wen? Das klingt sehr nach dem Vokabular des öffentlichen Sektors. fig-1 war ja auch non-profit – da es keine Kunstobjekte verkaufte. Was also machte es? Wir wissen, dass es durch private Ressourcen gegründet und finanziert wurde, aber warum würden eine private Galerie und eine Finanz-/Dienstleistungsfirma wohl ein »dynamisches Modell zur Präsentation von Kreativität in der Stadt« gründen wollen? Und warum in London? Wir können dies auch aus einem anderen Blickwinkel sehen: Was für einen Service bot fig-1 an? Seine Funktion ist überraschend ähnlich der vielen von KünstlerInnen geleiteten Kunsträume, die in den letzten Jahren verschwunden sind, oder – noch schlimmer – gelähmt/institutionalisiert wurden. Viele von ihnen waren per definitionem dynamische Modelle der Kreativität. Um genau zu sein: Wir betrachten einen hybriden Raum, irgendwo zwischen einer öffentlichen Institution, einem von KünstlerInnen geleiteten Kunstraum, einer Galerie und einem Netzwerk–Club, der im privaten Sektor gegründet wurde. Noch schlimmer aber ist, dass wir vielleicht einen weiteren Embryo oder Prototyp vor uns haben – in diesem Fall den lächerlichen Vom-privaten-Sektor-finanzierten-von-KünstlerInnen-geleiteten-Kunstraum.
Was auch immer sein Vorhaben gewesen sein mag, fig-1 war eine Phantomorganisation, und wenn wir es aus der Sicht des Wissenden betrachten, funktionierte es als eine risikofreie Satellitenorganisation für White Cube und als kulturelles Experimentierfeld für Bloomberg. Das Projekt endete im Januar 2001 und erfüllte das Vorhaben: 50 Projekte in 50 Wochen. Der Katalog sollte in Zusammenarbeit mit dem Tate Magazine auf der Biennale in Venedig vorgestellt werden, der gleichen Biennale, auf der Bloomberg den britischen Pavillion sponserte und ... die After-Show-Party.
The Club und fig-1 sind beides relativ gute Beispiele für die komplexen Organisationen, die in London entstehen – beide sind nicht länger an Galerien oder Institutionen gebunden, indem sie Hybride des öffentlichen und privaten Sektors sind, festgelegt durch übergreifende Verbindungen und Agenden. Kritisch betrachtet: keine verkauft Kunst – beide vermarkten Informationen und Dienstleistungen.
In mancher Hinsicht wurde diese Art der organisationellen Komplexität in verschiedenen gegenkulturellen Zusammenhängen widergespiegelt und weiter modifiziert. Viele haben gemeinsame Referenzen mit The Club und fig-1; hierin sind Punkte enthalten wie Informationsaustausch sowie das Knüpfen von Allianzen und Netzwerken als zentrale Anliegen in ihren Programmen. Kritisch gesehen sind diese Vorgangsweisen, im Kontext von Rückzug und Veränderung, eine Neufestlegung des kulturellen Kapitals, Informationen und Dienstleistungen sowie in manchen Fällen sogar eine Ablehnung der »sogenannten Informationsökonomie als des verbindlichen Rahmens für Informationsvermittlung« (Statement der Copenhagen Free University, 15. Mai 2001) festlegt. In diesem Sinn haben sie etwas mit den vielen Netzwerken in London gemeinsam, die sich augenblicklich neu konfigurieren – in geschlossenen Foren, Gesellschaften, kleinen Versammlungen und Clubs.
Für viele KünstlerInnen, Organisationen und andere in der ersten Reihe, besonders für jene, die neue Beziehungen und neue Märkte im privaten Sektor aufbauen wollen, ist dies keine Option – es gibt keine Wahlmöglichkeit, nur verschiedene Grade der gegenseitigen Akzeptanz. Jedoch kann hier jede Strategie als symptomatisch gesehen werden, als allgemeiner Kollaps des Vertrauens in die öffentliche Sphäre, verschlimmert durch eine nicht vorhandene Transparenz der Unternehmen und der zunehmend suspekteren Kommunikationskanäle sowie der von den öffentlichen Institutionen angebotene Informationsaustausch.
(Dieser Text wurde am 29. 9. 2001 als Vortrag im Rahmen eines Seminars an der Copenhagen Free University gehalten)
Übersetzung: Ruby Sircar
Anthony Davies lebt als Autor und Organisator in London.