Silvester Kreil

Studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien - Institut für Kunst und Architektur (MArch 2020). Er interessiert sich für die Parameter der räumlichen Verteilung, die verborgenen politischen und finanziellen Prozesse der Architekturproduktion und alternative Ansätze. Er arbeitet ua. in den Bereichen: Architekturtheorie, Architekturkonzeption, Dokumentation, raumgreifende Performances/Installationen und Stadtforschung.


Club Hybrid, das ist einerseits eine Plattform für Diskurs und Vernetzung und andererseits ein realer physischer Ort. Wenn man ins südliche Graz fährt, um genau zu sein in die Herrgottwiesgasse 161, dann findet man ein für die Ränder vieler Städte typisches Grundstück. Eine brachliegende Fläche – ehemals die Heimat von Gewächshäusern – zwischen Infrastrukturbauten, Industrie und vielen anderen Nutzungen. Die neu errichtete Moschee am Nebengrundstück ist erst wenigen Grazer*innen ein Begriff.
        Alles reizvolle, was die Peripherie zu bieten hat, ist rund um diesen Ort versammelt. Die Zeiten der Brachen sind allerdings vorerst vorbei. Im Rahmen von Kulturjahr 2020 Graz (pandemiebedingt verschoben), wurde unter Leitung von Heidi Pretterhofer und Michael Rieper eine dreistöckige Konstruktion samt Terrasse, Seminarraum und Studios mit Übernachtungsmöglichkeiten errichtet. Von 10. Juni bis 15. August ist dieser Demonstrativbau kultureller Ankerpunkt der Nachbarschaft und bietet allerhand künstlerische und wissenschaftliche Programmpunkte im Kontext der urbanen Teilhabe.
        Hauptprogrammpunkt des Eröffnungsabends waren die sogenannten Nachbarschaftsspiele, eine beinahe abendfüllende Schnitzeljagd mit Protagonist*innen aus der Nachbarschaft, ganz im Sinne des Zeitgeists via Stream und Remote-Kamera übertragen. Ein ehrlicher Versuch, das umliegende Gefilde einzubinden, die Umsetzung offenbarte sich allerdings als etwas langatmig.
        Zusätzlich zu den unterschiedlichen Programmpunkten, die im Club Hybrid stattfinden, präsentiert sich das junge Architekt*innen-Kollektiv AKT aus Wien bei einer Residency. Neben dem Haupthaus bespielen AKT unter dem Titel Wildes Kombinieren eine von ihnen bereits vorab kollaborativ errichtete Installation (14.06.–18.06). Als ,Gegen‘-Position zum kuratierten Club Hybrid soll die Konstruktion aus ungefüllten Gabionenkörben den Nutzer*innen möglichst freie Hand lassen. Das als AKT 4 betitelte Vorhaben reiht sich – wenn auch nicht direkt – an die vorhergehenden räumlichen Interventionen des Kollektivs an (AKT 1–3) – im Unterschied zu vorher haben dieses Mal alle Beteiligten gemeinsam und nur an einem Werk gearbeitet. Erbaut auf dem Aushub, der während des Abrisses der ehemaligen Gewächshäuser und der Errichtung des Club Hybrids entstanden ist, nimmt AKT 4 direkten Bezug auf die Grundelemente der Architektur: Mauer, Öffnung, Durchwegung, Zonierung und Sichtbeziehung – nicht mehr und nicht weniger. Dass die leeren Gabionenkörbe als formbildende Elemente genutzt wurden, kann man aber sicher auch als versteckte Kritik an deren Nutzung im militärischen Kontext und der Abgrenzungsmentalität vieler Einfamilienhausbesitzer*innen verstehen.
        Im Großen und Ganzen geht der minimalistische Ansatz der Installation auf. Die Frage, ob ein bisschen mehr Kontextualisierung helfen würde, sei dahingestellt. Ohne zu viel verraten zu wollen: es zahlt sich aus, auf die Dämmerung zu warten und die Konstruktion nicht nur aus der Ferne zu betrachten, dann offenbaren sich bisher ungeahnte ästhetische Qualitäten. Die Installation von AKT kann auch nach der bereits absolvierten Residency begutachtet und ein Besuch genutzt werden, um den abschließenden Aktivitäten des Club Hybrid beizuwohnen.
        Denn genau für Konzepte wie den Club Hybrid sollten freistehende Flächen viel öfter und langfristig zur Verfügung gestellt werden und Stadtbewohner*innen, Expert*innen und allen anderen, die Interesse haben, als Experimentierfeld dienen. Strategien des Zusammenlebens und der innerstädtischen Kooperation müssen im realen physischen Raum weiterentwickelbar und überprüfbar sein, das wäre ein lohnenswerter Versuch für jede Stadt. Ob das gemeinsame Erproben weiterhin möglich ist und uns der Club Hybrid auch nach dem derzeit terminierten Ende erhalten bleibt, ist nach wie vor offen. Bis zum 15. August ist noch Zeit für einen Besuch.


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