Zwei Souveräne Ausstellungsbesuche. Mega versus Gewalt und Vice Versa
Besprechung von »Die Gewalt ist der Rand aller Dinge« herausgegeben von Alice Creischer und Andreas SiekmannAlice Creischer, Andreas Siekmann (Hg.)
Die Gewalt ist der Rand aller Dinge: Subjektverhältnisse, politische Militanz und künstlerische Vorgehensweisen
Wien/ Köln 2002
Generali Foundation/ Verlag der Buchhandlung Walter König
199 Seiten., EUR 19,80
Vor kurzem fanden in Wien in der Generali Foundation die Ausstellung »Die Gewalt ist der Rand aller Dinge«, kuratiert von Alice Creischer und Andreas Siekmann, und im Künstlerhaus die Ausstellung »Mega: Manifeste der Anmaßung«, kuratiert von Peter Bogner, Henny Liebhart Ulm, Anna Soucek und Jan Tabor, statt. Beide Ausstellungen operieren mit pejorativen Schlagwörtern im Titel, und beide versuchten diese Negativität zu überwinden. Die Fragen nach der Gewalt in Zusammenhang mit dem politischen Handeln sind im deutschsprachigen Raum in das Trauma der Vergangenheit verstrickt. Die großen urbanistischen Projekte laborieren am vermeintlichen Scheitern der Moderne. (Große Architekturprojekte gibt es eigentlich nicht. Alles, was sich noch als Gebäude klassifizieren lässt, ist Architektur, und alles, was diese Grenze ignoriert, wird urbanistisch.) »Gewalt ist der Rand aller Dinge« ist als Ausstellung ein wenig sperrig. So sind Ausstellungen eben. Das System der Präsentation im Kontext einer Ausstellung birgt strukturelle Beschränkungen, die unüberwindbar sind. Diese Schwelle gibt es für beide Ausstellungen, für alle Ausstellungen. Kunst mit politischem Anspruch stößt an die Grenze der Effektivität. »Wir wollten«, so Alice Creischer in einem Interview in Spex (Nr. 3/2002), »durch diese Form der 'Inszenierung' klar sagen, dass eine Kunstinstitution kein politisch direkt effektiver Ort ist. Das Politische der Straße ist nicht repräsentierbar.« Da die beiden Künstler-KuratorInnen, Alice Creischer und Andreas Siekmann, die TeilnehmerInnen und ihr weiteres Umfeld jedoch bereits vor der Ausstellung in ein polyvokales Gespräch verwickelt haben, ist das Ergebnis dieser Taktik nicht die bloße Ansammlung der Objekte. Der Ausstellungskatalog macht die Diskussion der Beteiligten öffentlich. Die Fragen nach der Militanz und der Subjektivität sind in der gegenwärtgen Zeit des Sicherheitswahns für jedeN, der/die nach Perspektiven für souveränes politisches Handeln sucht,[1] wesentlich und existentiell. Diese in einen immanent beschränkten Kunstkontext zu stellen, erweist sich als kluge Strategie - man verfällt nicht in die Abgründe der unendlichen Thematik, und die aufgeworfenen Fragen haben sich für mich als effizienter Erkenntnisgewinn erwiesen. Als für Wien besonders relevant hat die (Wieder-) Entdeckung von Gerd Arntz und darüber hinaus Otto Neurath zu gelten. Die KuratorInnen selbst stellen selbstbewusst souverän gewagte Thesen auf. »Mega, Manifeste der Anmaßung« überrascht mit Dichte. Im Vergleich zur Vorgänger-Ausstellung »Den Fuß in der Tür: Manifeste des Wohnens« (Künstlerhaus 2000) ist zu sagen: Die Dichte steht ihr gut. Die Dichte der Objekte mildert den Umstand, dass Architektur, platziert im Umfeld einer Kunstinstitution, zur Kunstinstallation mutiert und ihr ökonomisch tektonischer Teil verblasst. Und dennoch würde ich den jungen ArchitektInnen und Künstlerinnen mehr Eloquenz und mehr Stellung-Beziehen zutrauen. Für Alice Creischer ist diejenige Kunst gut, die gesellschaftliche Themen behandelt und Partei ergreift. Dieselbe Aussage müsste für Architektur umso mehr gelten. Ich gebe unumwunden zu, dass mich die manieristischen Fragen nicht besonders beschäftigen. Angesichts der Schwierigkeit und Schwere sind Architekturschaffende und Städteplanende dem Gemeinschaftlichen verpflichtet, wenngleich oft das Hegemoniale servil bedient wird und wurde und sich Techniken der Kontrollgesellschaft mit architektonischen Mitteln besonders gut umsetzen lassen. Politische Forderungen sind von Natur aus eher verbal und keine Architektur. Die mitteleuropäische ArchitektInnengeneration des 21. Jahrhunderts wird diese erst formulieren müssen. Keine Forderungen im Postfordismus? Engagierte, moderne Architektur wird in meinen Augen ihren Platz inmitten der neuen gesellschaftlichen Bewegungen finden, die »»GlobalisierungsgegnerInnen« oder von mir aus Multitude genannt werden. Geschichtlich gesehen, haben die Theorien des Fordismus und Taylorismus spannende, innovative materielle Folgen in der Architektur der Moderne hinterlassen. Wird die Theorie der immateriellen Arbeit ähnlich aufregen de Neuerungen bewirken? Vielleicht ist es gut, dass bei »Mega« die Bibel, Koolhaas und anderes Kanonisches unter Acrylglasdeckeln verwahrt werden. Hauptsache, »Empire«, »Bignes?« und die Schriften von Sergio Bologna sind nicht unter Verschluss.
www.mega-architektur.at
Alice Creischer, Andreas Siekmann (Hg.)
Die Gewalt ist der Rand aller Dinge: Subjektverhältnisse, politische Militanz und künstlerische Vorgehensweisen
Wien/ Köln 2002
Generali Foundation/ Verlag der Buchhandlung Walter König
199 Seiten., EUR 19,80
Fußnoten
Alice Creischer dazu in einem Gespräch mit Katja Diefenbach und Stephan Geene: »Es müsste eine Form von Souveränität geben, die eine Art emanzipatorisches Projekt der Person behaupten kann, ohne in Autonomiephantasmen zurückzufallen. Souveränität wäre ein rechtlicher Begriff, der nichts über das Wesen des Subjekts aussagt, sondern eher über die Autoritäten und Machtverfügungen, die ihm angetragen werden, oder die es sich anmaßt innezuhaben.« (Ausstellungskatalog, S. 92) ↩︎
Maja Lorbek