Urbanität durch Migration
Eine der Thesen des Schwerpunkts geht davon aus, dass Migration eine Grundvoraussetzung für die Existenz von (Groß-)Städten darstellt und es deswegen höchst an der Zeit ist, dem Thema mit etwas mehr Gelassenheit gegenüber zu treten. Dass die Ursache für Migration oft Leid, Elend oder politische Verfolgung sind und MigrantInnen in ihren neuen Heimatstädten bevorzugte Opfer von Ausbeutung werden, ist eine ebenso unbestrittene Tatsache. Zu den Grundbedingungen einer offenen Stadtpolitik würde es gehören, allen BewohnerInnen gleiche Rechte zu garantieren, ihnen den gleichen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Universitäten zu ermöglichen und ihnen die Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess zu sichern. Finden alle diese Voraussetzungen vor, eröffnet dies erst die Freiheit der Entscheidung, welchen politischen, kulturellen oder wie auch immer gearteten Netzwerken und Communities jede/r einzelne von ihnen angehören will – oder auch nicht. Im Magazinteil analysiert Katharina Brichetti den umstrittenen Wiederaufbau von Beiruts Zentrum nach dem Bürgerkrieg, dessen Nachwirkungen die Politik der Stadt bis heute beeinflussen. Daniel Kalt nahm sich diesmal Linz09 vor und Christof Mackinger konstatiert in seinem Text über die Mariahilfer Straße, dass „direkte Repression noch immer ein wichtiger Teil der sozialen Kontrolle im öffentlichen Raum ist“. In Bei Manfred Russo steht der Boulevard „als Paradigma der kinetischen Utopie der Moderne“ im Mittelpunkt. Ein Thema wie geschaffen für die russosche Geschichtsschreibung, die bei Haussmann beginnt, Baudelaire ausführlich Raum gewährt, kurz bei Nietzsche und Marx vorbeischaut, Chaplin durch den Text watscheln und Le Corbusier über die Champs Elysées spazieren lässt, auf Hannah Arendt verweist, Marshall Bermann zitiert und auch auf Jane Jacobs nicht vergisst.