Urban Citizenship und das Recht auf Stadt
Konflikte um Zugehörigkeit, Rechte, Kontrolle und Exklusion in Städten1. Dezember 2015
Zum Jahresabschluss widmet sich Radio dérive dem Konzept Urban Citizenship, das gerade im Licht der vielen Flüchtlinge, die derzeit in Europa Zuflucht suchen, hochaktuell ist. Die Idee einer Stadtbürgerschaft thematisiert Fragen der Gleichstellung der Bevölkerung und der Zugänglichkeit zu gesellschaftlichen Ressourcen. Denn Politiken der Bürgerschaft, wie wir sie heute in den deutschsprachigen Ländern kennen, sind eng verwoben mit Strategien von Ausschluss und Überwachung. Während der Pass oftmals das ausschlaggebende Kriterium für politische, wirtschaftliche und soziale Rechte darstellt, wächst weltweit die Zahl der Staatenlosen, die auf eine legale Existenz und grundlegende Rechte in den Ländern, in denen sie den Lebensmittelpunkt haben, verzichten müssen.
Im Rahmen vom diesjährigen urbanize-Festival, das sich der Erkundung von Perspektiven eines kooperativen Urbanismus widmete, nahm Henrik Lebuhn – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrbereich Stadt- und Regionalsoziologie der Humboldt Universität Berlin – die Potenziale und Fallstricke einer Stadtbürgerschaft unter die Lupe, die in der kritischen Stadtforschung seit den 1980er Jahren heiß diskutiert werden. Radio dérive sendet eine gekürzte Fassung seines Vortrags, der unter anderem ein Praxisbeispiel aus New York vorstellt: Unter Bürgermeister Bill de Blasio können StadtbewohnerInnen seit Anfang 2015 eine städtische Identitätskarte beziehen, die es ohne die Abfrage des Aufenthaltsstatus ermöglicht, städtische Dienstleistungen zu beziehen, eine Wohnung zu mieten oder ein Bankkonto zu eröffnen. Ein anschliessender Blick auf Wien fordert ebenfalls die nationalstaatliche Logik heraus. So stellt die politische Aktivistin und Rassismusforscherin Fanny Müller-Uri die demokratiepolitische Kampagne »WahlweXel jetzt!« vor, die bei den Nationalratswahlen 2013 dafür plädierte, dass auch Menschen, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, ihre Stimme abgeben können. Schliesslich drängt sich gerade in Städten, die sich aufgrund des hohen Anteils an nicht wahlberechtigter Bevölkerung durch ein Demokratiedefizit auszeichnen, die Frage auf, ob die mit dem Wahlrecht verknüpfte Idee von Staatsbürgerschaft noch zeitgemäß ist.
Links:
Literatur:
Jochen Becker: Verwebungen städtischen Handelns. Urban Citizenship oder die Umrisse einer neuen aufständischen Politik. In: dérive 61, Perspektiven eines kooperativen Urbanismus (10/2015), S. 7-13.
Henrik Lebuhn: Migration – Recht – Citizenship. Potentiale und Grenzen eines kritischen Diskurses, in: Mecheril, P. et.al.: Migrationsforschung als Kritik. Kontur einer Forschungsperspektive, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2013, S. 231-244.
T H. Marshall: Citizenship and Social Class: And Other Essays. Cambridge University Press, 1950.
Sendungsgestaltung und -verantwortung: Sandra Voser
Weitere Mitarbeit: Lisa Pucher, Elke Rauth
Signation: Bernhard Gal
Erstausstrahlung: Dienstag, 1. Dezember 2015, 17:30 auf Radio Orange 94.0 (Wien) oder als Livestream
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