Das Recht auf Stadt
Der Kampf für Demokratie in der urbanen ÖffentlichkeitDer folgende Text von Mark Purcell ist eine von der dérive-Redaktion gekürzte und übersetzte Version eines Artikels, den wir aus Platzgründen nicht in voller Länge abdrucken können. Der hier veröffentlichte Ausschnitt ist der zweite Teil des Textes, der sich mit der Frage auseinandersetzt, wie man Lefebvres Konzept eines Rechts auf Stadt im Kontext einer Debatte um radikale Demokratie verstehen und anwenden kann. Im ersten Teil des Textes1 legt Mark Purcell sein Verständnis einer »real democracy« dar und erläutert den Unterschied zur gängigen Auffassung über die Bedeutung von Demokratie. Er betont darin, dass die Entwicklung vom keynesianistischen Wohlfahrtsstaat-Modell zum neoliberalen Laissez-faire-Modell in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen detailliert analysiert worden ist, es aber kaum Ideen und Alternativvorschläge gibt, welche Stadt und politische Gemeinschaft wir stattdessen schaffen wollen. Genau an diesem Punkt setzt er mit seinem Beitrag an: »I propose a path that brings together the tradition of radical democracy with Lefebvre’s conception of the right to the city.« Purcell sieht mit dieser Verknüpfung die Möglichkeit einer umfassenden Transformation der Stadt als politischer Gemeinschaft, die nicht nur das neoliberale Governance-Modell herausfordert, sondern »also urges us to chart a path to a radically different urban society beyond both the state and capitalism«. Purcell weist darauf hin, dass die weit verbreitete Vorstellung von Demokratie der Institution des liberal-demokratischen Staates entspricht, den er eher als Oligarchie begreift. Im Gegensatz zum herrschenden Modell der repräsentativen Demokratie versteht Purcell Demokratie als Form des Zusammenlebens, in der Menschen die Bedingungen ihrer Existenz selbst regeln. Purcell unterstreicht, dass dieses Szenario mit vielen individuellen Anstrengungen und Schwierigkeiten verbunden ist und einen Idealzustand, einen Horizont beschreibt, dem man sich annähern, den man aber wohl nicht tatsächlich erreichen kann. »Becoming democratic« verlangt, die gewohnte und auch bequeme Rolle der passiven, politischen Beobachtenden aufzugeben und stattdessen AkteurIn zu werden. Die Figur des Funktionärs und der Spezialistin gilt es zu überwinden, um horizontale, nicht-hierarchische Strukturen und Selbstbestimmung zu erreichen. Ebenso notwendig sei es, sich über das Persönliche, Individuelle hinaus für kollektive Kämpfe zu engagieren. Purcell geht im hier gekürzten Teil des Weiteren ebenso auf Praxisbeispiele wie den Arabischen Frühling, Occupy, die Proteste in Griechenland und Spanien ein, wie er auf theoretische Ansätze von Deleuze/Guattari, Thomas Hobbes sowie Hardt/Negri u.a. verweist, bevor er dann endgültig mit Henri Lefebvre startet. (Redaktion dérive)
Mark Purcell ist Professor an der Abteilung für Urban Design & Planning der Universität Washington.