Die Wegweisung
Eine unsichtbare Praxis in öffentlichen StadträumenDie Wegweisung aus öffentlichen Stadträumen[1] als Norm und Praxis stößt derzeit im helvetischen Kontext auf wenig Interesse: Weder Medien, Politik noch Wissenschaft nehmen diese raumgreifende Ein- und Ausschließungsmaßnahme in den Blick. Daher wundert kaum, dass die Statistiken der Polizei meist lediglich die bloße Anzahl der unmittelbar von Wegweisung Betroffenen veröffentlichen. Bisweilen wird beigefügt, ob es sich um eine 24-stündige oder eine länger andauernde Verfügung für ein bestimmtes Gebiet handelt. Aussagekräftigere Angaben etwa zu Herkunft, Geschlecht und Alter der Weggewiesenen, zum Ort der konkreten Wegweisung oder der als störend und gefährdend wahrgenommenen Verhaltensweisen, die zu solch einer sicherheitspolizeilichen Maßnahme geführt haben, fehlen meist, liegen allenfalls in standardisierter Form vor. Und last, but not least wurde und wird bislang keine Transparenz der Kosten der polizeilichen Wegweisungspraxis eingefordert. Ebenso wenig ist Wissen zum konkreten Ablauf und den Auswirkungen der Wegweisungen oder den Erfahrungen der unmittelbar von den Wegweisung Betroffenen vorhanden. (...)
Wegweisung ist ein Begriff, der in der Schweiz und in Österreich verwendet wird. Er umfasst unterschiedliche Maßnahmen der Beschneidung von Raumrechten. Im deutschsprachigen Raum wird in ähnlichem Zusammenhang bisweilen auch von Platzverweis gesprochen. Als Phänomen ist die Wegweisung in einen internationalen Kontext zu stellen: Zum Ausgangspunkt werden u.a. die kontrovers diskutierten Ansätzen der »Broken Windows«-Theorie genommen, die davon ausgehen, dass Unordnung im Stadtraum zu mehr Straftaten einlädt. ↩︎
Monika Litscher studierte Ethnologie, Kulturwissenschaft und Völkerrecht in Zürich und Brüssel. Sie arbeitet als Projektleiterin und Dozentin an der Hochschule Luzern — Soziale Arbeit im Kompetenzzentrum Stadt- und Regionalentwicklung im Institut für Soziokulturelle Entwicklung.