Elisabeth Haid


Direkter Urbanismus. Direct urbanism
Direkter Urbanismus. Direct urbanism

Direkter Urbanismus – über diesen Begriff definieren Barbara Holub und Paul Rajakovics ihre Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen, urbanen Fragestellungen. Die Künstlerin (und ausgebildete Architektin) und der Stadtplaner und Architekt, beide langjährige Redaktionsmitglieder von dérive, gründeten 1999 die in Wien angesiedelte, transdisziplinär ausgerichtete Plattform transparadiso. Ihre Arbeiten und Projekte bewegen sich im Spannungsfeld von Kunst, Urbanismus und Architektur, Theorie und Praxis.
Direkter Urbanismus ist auch der Titel eines vor kurzem erschienenen Buches, das eine Auswahl der in den letzten 10 bis 15 Jahren entstandenen Arbeiten von transparadiso versammelt und reflektiert. Bereits in der Gestaltung des Umschlags werden grundlegende Implikationen des Begriffs eines direkten Urbanismus vorgestellt. Ein Glossar der Begriffe kontextuelles Handeln, Fiktion, Retrofiktion, Makro-Utopie, Wunschproduktion und Urban Practitioner eröffnet die Auseinandersetzung mit Praktiken urbanen Handelns. Die Auswahl an Projekten deckt verschiedene Maßstäbe ab und reicht von urbanen Interventionen, Videoarbeiten, Performance und Installation hin zu subtilen baulichen Eingriffen, architektonischen Projekten und großmaßstäblichen städtebaulichen Konzepten.
Die Kritikerin, Theoretikerin und Architektin Jane Rendell beschreibt die Arbeiten von transparadiso treffend als »Geflecht aus Artefakten und Ereignissen«: Diese entstehen zumeist in Verbindung mit verschiedenen AkteurInnen, zentrale Bedeutung nimmt das Entwickeln eines Bewusst­seins für die Situation vor Ort und das Eröffnen von Handlungsräumen ein. Dabei kommen verschiedene Werkzeuge zum Einsatz, die, wie Paul Rajakovics betont, »Teil einer Strategie« sind und »die Grundlage [bilden], von der aus eine spezielle Taktik verfolgt oder eine Strategie initiiert wird, aber […] nicht das Ziel selbst« sind. Gezeigt werden die Arbeiten von transparadiso im Buch anhand von Fotografien, Videostills, Zeichnungen, Plänen, grafischen Darstellungen und Projektbeschreibungen. Die für die jeweiligen spezifischen Kontexte entwickelten urbanen Werkzeuge, die – in adaptierter Form – in verschiedenen Situationen Anwendung finden können, werden zudem als eigenständige Objekte vorgestellt.
Den Rahmen für eine Einteilung der Projekte in die drei Bereiche Urbane Praktiken, Interventionen und Werkzeuge, Architektur und Urbanismus sowie Urbanismus und Kunst bilden Texte, die mittels unterschiedlicher Formate die Praxis von transparadiso von verschiedenen Standpunkten aus beleuchten. Ein Gespräch des Kurators, Theoretikers und Künstlers Paul O’Neill und des Künstlers, Kunsttheoretikers und Kurators Mick Wilson mit Barbara Holub und Paul Rajakovics gibt Einblicke in die Arbeitsweise von transparadiso, zeigt Querverbindungen zwischen den einzelnen Projekten auf und widmet sich den Konzepten und Strategien, die hinter ihren Arbeiten stehen. Jane Rendell beleuchtet, ausgehend von »grundlegenden Vorlieben und Vorgangsweisen«, die für sie bereits mit den Präfixen trans und para im Namen transparadiso anklingen, sowie »theoretisch-philosophischen« Zitaten, die sie mit Projektbeschreibungen und Kommentaren von Barbara Holub und Paul Rajakovics in Beziehung bringt, »verschiedene Facetten [der] Methodologie« von transparadiso. Entlang der Begriffe Transitional Space, Paramedics, Transference, Paratextualität, Transformationen, Paradox, Transversalität und Paradies spürt sie dem Verhältnis von Kunst, Architektur und Urbanismus nach.
Ergänzend zu der Auswahl an Projekten, die die Methodik und Arbeitsweise von transparadiso aufzeigt und verdeutlicht, beschreiben und schärfen Barbara Holub und Paul Rajakovics in einem Essay ihre Auffassung von direktem Urbanismus – und beziehen so sowohl durch ihre Projekte wie auch durch fundierte theoretische Reflexion klar Position.


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