Klub Zwei/Maiz


Betrifft: Zensur? Vorauseilender Gehorsam? Oder »nur« ein veralteter, repressiver Medienkunstbegriff?

Gesendet an: Kunst- und Kulturinstitutionen, KünstlerInnen, Kuratorlnnen, Kritikerlnnen, AktivistInnen und „Journalistlnnen im In- und Ausland.

Im Januar 2000 wird Klub Zwei eingeladen, im Rahmen der steirischen Landesausstellung gr2000az eine Arbeit auf einem Großbild in den Arkaden des Schlosses Eggenberg in Graz zu präsentieren. Wir entschließen uns, auf die aktuelle politische Situation in Österreich Bezug zu nehmen und wählen ein Bild aus dem Projekt »Arbeit an der Öffentlichkeit«, das in Zusammenarbeit mit der Migrantinnengutppe MAIZ entstanden ist. Grund für diese Wahl ist neben dem offensichtlichen Aktualitätsbezug auch der Anspruch, jene Themen und Forderungen zu unterstützen, die MigrantInnen seit Jahren in die öffentliche Diskussion einzubringen suchen, die aber im aktuellen Mainstream-Diskurs um Rassismus wieder einmal vergessen scheinen.
Das Bild trägt die rote Headline »Graz hat nie die Hitlerzeit verloren« und verweist so auf rassistische Strukturen, die bis heute alle Bereiche der Gesellschaft bestimmen, wie etwa an dem Zugang zur österreichischen StaatsbürgerInnenschaft besonders deutlich wird. (StaatsbürgerIn ist lt. österr. Gesetzgebung nicht, wer in Österreich geboren wird, sondern wessen Eltern ÖsterreicherInnen sind). Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, an der Nicht-Präsenz sron Männern und Frauen mehr-österreichischer Herkunft in Leitungsfunktionen (österreichischer Kulturinstitutionen. Vor der Headline sind mehrere Textspalten in kleinerer, schwarzer Schrift zu lesen. Sie beinhalten Aussagen der MAIZ-Mitarbeiterinnen Luzenir Caixeta, Rúbia Salgado, Tania Arauio, Milena Müller und Veronika Rechberger, die über Rassismus und Diskriminierung von MigrantInnen in Österreich sprechen, über Möglichkeiten kritischer Öffentlichkeitsarbeit und über Forderungen an die österreichische Gesellschaft.
Ende Februar schließlich wird Klub Zwei mitgeteilt, dass dieses Bild nicht auf der steirischen Landesausstellung gezeigt wird, da es nicht auf den ersten Blick als Medienkunst erkennbar sei. Politische Gründe habe die Entscheidung gegen dieses Bild aber keine. (Siehe dazu auch das Gedächtnisprotokoll im Anhang).
Wir schreiben diesen offenen Brief, um auf das Zusammenspiel kuratorischer Selektionsverfahren und kulturpolitischer Forderungen, wie sie z.B. Hr. Westenthaler[1] oder die FPÖ Salzburg[2] vorbringen, hinzuweisen. Wir halten dieses Zusammenspiel für alarmierend und einer Analyse wert.
Wir rufen zu Diskussion und Wachsamkeit gegenüber Prozessen der Normalisierung und Anpassung auf, und warnen davor, wie schnell rechte Politik in kulturelle Praxis hinein regieren kann und wird. (Die Selbstzensur arbeitet immer schneller und effizienter als die Zensur). Das Argument »Arbeit an der Öffentlichkeit« sei keine Medienkunst-Arbeit ist in diesem Sinne nicht nur Ausdruck eines veralteten Kunst- und Ästhetikbegriffs, gegen den wir uns als zeitgenössische KünstlerInnen wenden. Vielmehr dieses Argument, wo ein solcher Kunst- bzw. Ästhetikbegriff reaktionäre, repressive oder gar rassistische Politik bedient und stützt. Ob dies beabsichtigt oder ungewollt (verinnerlichter und sogleich verdrängter Gehorsam) geschieht, sei dahingestellt und tut letztlich auch nichts zur Sache. Denn es geht nicht darum, Einzelpersonen zum Thema zu machen, auch wenn wir denken, dass diese für das, was ihr Handeln produziert, zur Verantwortung gezogen und kritisiert werden müssen. Es geht vielmehr darum, die solchem Handeln zugrundeliegenden Strukturen und Mechanismen anzugreifen und sie zu verändern. Konkret hieße das beispielsweise die Aufforderung an österreichische Kulturinstitutionen, MigrantInnen auf allen Ebenen, von Leitungs-, über inhaltliche bis zu Verwaltungsfunktionen zu repräsentieren und damit parallel zu antirassistischer Öffentlichkeitsarbeit antirassistische Strukturarbeit voranzutreiben.

Wir bitten Sie, zu diesem und anderen Fällen der Unsichtbarmachung bzw. Zensur gesellschafts-, staats- und regierungskritischer Kunst, Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit zu recherchieren und in Ihrem Medium darüber zu berichten. Detaillierte Informationen zum Sachverhalt finden Sie anbei.

Hit freundlichen Grüßen,
Klub Zwei

PS: Fragen an Klub Zwei richten Sie bitte an: vor.ri [at] eunet.at
Fragen an die gr2000az-Projektverantwortlichen: richard.kriesche [at] stmk.gv.at, werner.fenz [at] stmk.gv.at, office [at] gr2000az.at

Fußnoten


  1. Sich etwa Westenthalers Aussagen in div. Medien zu Kulturförderung oder zum ORF. ↩︎

  2. Siehe den Antrag der FPÖ im Landtag Salzburg (datiert 28.02.00), in dem gefordert wird, dass an Demonstrationen beteiligte kulturelle Institutionen und KünstlerInnen von Subventionszuwendungen ausgeschlossen werden sollen. ↩︎


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