Andre Krammer

Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.


Die Ausstellung Chinaproduction im Architekturzentrum positioniert sich im allgemeinen Hype um Chinas rasante Stadtentwicklung und Rolle als internationales Architekturlabor als eine kritische Stimme. Thematisiert werden nicht nur gegenwärtige Trends in Architektur, Stadtplanung und die Auswüchse einer explosionsartigen Stadtentwicklung, sondern auch der westliche Blick auf das ehemals kommunistische Land Maos. Seit seit der „Öffnung“ unter Deng Xiaoping hat es sich in einen von einem „wilden“ Kapitalismus, der durch kein demokratisches Regelwerk abgefedert wird. geprägten, Staat verwandelt.

Die Ausstellung gliedert sich in transparente Schautafeln, die man wie aufgeschlagene Buchseiten durchwandern kann. Die gezeigten stark vergrößerten Fotografien und Textfragmente aus diversen Publikationen der westlichen Hemisphäre setzen sich mit Chinas Modernisierung auseinander, die sich nicht zuletzt in der Architektur- und Raumproduktion manifestiert. Neben aktuellen spektakulären Projekten internationaler StararchitektInnen in China finden sich unter anderem Interviewfragmente mit ArchitekturtheoretikerInnen und Bild- und Textfragmente aus Forschungsprojekten wie zum Beispiel dem 700 Seiten starken Kompendium The Great Leap Forward, Project on the City der Harvard Design School aus dem Jahr 2001, einer maßgebenden Analyse zum gegenwärtigen Wandel Chinas.

Die Gegenüberstellung beziehungsweise Gleichstellung von Bild und Text fungiert als formaler Rahmen, in dem unterschiedliche „Blicke“ und Diskurse versammelt werden, die bewusst fragmentarisch bleiben. Dazwischen finden sich aktuelle Fotografien renommierter chinesischer Künstler (Miao Xiaochun, Hu Yang, Xing Danwen), die sich mit den Folgen der rasanten Urbanisierungsschübe analytisch auseinandersetzen. In der Ausstellung wird keine mediale Repräsentationsgeschichte analysiert und dekonstruiert, sondern eine symbolische Installation in den Raum gestellt, in der der „Diskurs“ körperhaft wird und der jeweilige Inhalt hinter der Repräsentation verschwindet. Die Rückseiten der Schautafeln geben das Spiegelbild der flanierenden AusstellungsbesucherInnen wieder. Dieses Phänomen gemahnt wiederum – auf einer skulpturalen, phänomenologischen Ebene – an die doppelte Bedeutung des „Blicks“ der BetrachterInnen, der, während er auf etwas anderes verweist, gleichzeitig auch eine Momentaufnahme der Verfasstheit der BetrachterInnen beinhaltet.

Die Ausstellung kann zweifach konsumiert werden: als eine Sammlung diskursiver und dokumentarischer Fragmente, die ein kaleidoskopisches Bild der gegenwärtigen Architektur- und Stadtproduktion Chinas ergeben oder als eine Reflexion zur Bild- und Sprachproduktion, die Chinas Wandel begleitet. Wer die Vielzahl der Texte und Bilder zu Hause nachlesen und rezipieren will, sei auf die Publikation Hintergrund 37 – Chinaproduction verwiesen, die in der Ausstellung zu erwerben ist und einen Großteil der Ausstellungsinhalte im handlichen DIIN-A-5-Format versammelt.

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Ausstellung
Chinaproduction
kuratiert von Johannes Porsch
Ausstellungsdisplay: Lina Streeruwitz und Johannes Porsch
Architekturzentrum Wien
Museumsplatz 1, 1070 Wien
26. Oktober 2007 bis 21. Jänner 2008


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