State in Time, Berlin 2010
Kunstinsert von IRWIN NSKIm Oktober 2010 fand in Berlin der erste NSK Citizen Congress im Haus der Kulturen der Welt statt. Der Ort könnte nicht idealer gewählt werden, denn der NSK-Staat ist non- territorial im ursprünglichsten Sinn und adressiert zuerst einmal alle – wenn auch KünstlerInnen und Intellektuelle den größten Teil der NSK-StaatsbürgerInnen ausmachen. Das Haus der Kulturen der Welt, das 1957 von dem Architekten Hugh Stubbins geplant wurde, kann als prototypischer Bau der Nachkriegsmoderne und deren Symboliken betrachtet werden. Dadurch, dass IRWIN dieses Gebäude und seine Mission als Ort für den ersten NSK Citizen Congress wählen, thematisieren sie aktuell die Debatte um Staatsmacht, Pathos-Formeln sowie Demokratie.
Die slowenische Künstlergruppe IRWIN (Dusan Mandic, Miran Mohar, Andrej Savski, Roman Uranjek und Borut Vogelnik) ist erstmals 1983 unter dem Namen Rrose IRWIN Sélavy aufgetreten. Seit den 1980er Jahren gehören sie zu den Hauptprotagonisten jenes jungen kulturellen Dynamits in Ljubljana, welche die Identität von Slowenien durch die gleichzeitige Hinterfragung erst ermöglicht hat.
NSK (Neue Slowenische Kunst) entstand ursprünglich schon 1984 aus einem Zusammenschluss von IRWIN, der Musikgruppe LAIBACH und der Theatergruppe Gledalisce sester Scipion Nasice. NSK State wurde 1992 gegründet – genau in jener Phase der Staatsgründung von Slowenien, durch welche die Chance vergeben worden war, (einen) wirklich zukunftsweisende(n) Staat(en) als Nachfolge der Föderation Jugoslawien entstehen zu lassen.
Die Fragestellungen nach Territorien, Migration, Nationalstaaten, Grenzen, Einwanderung und Zugehörigkeit könnten wohl aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Nordafrika kaum aktueller und dringlicher sein. Was wäre, wenn der NSK-Pass tatsächlich grenzenloses Reisen ermöglichte? Und: Was wäre wenn es gar keinen Pass mehr bräuchte? Ist der NSK-Pass also Symbol und Realität einer Zwischensituation in der Hoffnung auf weitere (entgrenzende) Entwicklungen? Oder ein womöglich gar überholtes Zeichen einer (Staats- und Macht-) Symbolik, die wir längst hinter uns lassen wollen?
Diese Ambivalenz im Umgang mit Symbolen war von Beginn an programmatisch für die Arbeit von NSK und hat es nicht verfehlt zu polarisieren. Die Fragen, die IRWIN mit NSK State aufwerfen, spiegeln ebenso gezielt das meist auf schwarz-weiß reduzierte Agieren von Politik, Propaganda und Medien wider. Die Teilnahme am Kongress im Oktober 2010 war nur für NSK-Staatsbürger mit Pass (mittlerweile gibt es über 10.000) möglich.
FINDINGS The NSK State is a universal state in time, not a state of territory. Whether it remains in potential form or manifests itself in actual form depends on the actions and beliefs of those who are or wish to be its citizens. The NSK State in Time is consistent with and evolves from the founding principles and strategies of Neue Slowenische Kunst. The NSK State in Time becomes manifest when the following exist:
I. The Immanent Consistent Spirit is the all-embracing intangible essence of the NSK State in Time. In it there is everything and even nothing. Citizens of the NSK State in Time express the Immanent Consistent Spirit through artistic, political, philosophical and intellectual actions in both abstract and concrete form.
II. The NSK State in Time is ever-inspired by the infinite moment of grace of its own becoming. It is the master of all its probabilities.
III. The NSK State is manifested in time yet at the same time transcends time.
IV. Manifestations of the NSK State are temporal; they are based on initiatives and actions of its citizens and affiliates.
V. The NSK State in Time materializes through artistic, political, philosophical and intellectual actions in accordance with the basic principles and internal laws of the NSK State in Time.
VI. The individual is irrelevant. Therefore the NSK State in Time compels its citizens to work as a collective body.
VII. The role of the citizens of the NSK State in Time is to fulfill the State`s goals with fanatical and artistic devotion.
VIII. The citizens &; commitment to the State machine that organizes their activities is unwavering.
IX. Freedom of choice creates trauma; lack of freedom of choice creates trauma. The NSK State acknowledges the right not to choose.
IRWIN ist eine slowenische Künstlergruppe aus Ljubljana.
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.