Unter Gelbwesten
Jede/r von uns kennt sie: die Gelbwesten. Gerade diese hohe Bekanntheit scheint es schwer zu machen, einen sowohl unvoreingenommenen als auch kenntnisreichen Blick auf das Phnomen zu werfen. Viele BeobachterInnen scheitern dabei, sich nicht von einzelnen Aspekten ablenken zu lassen. Dem Autor und Journalisten Jeremy Harding gelingt das dafür umso besser, weswegen wir seinen Text für dérive 76 übersetzt haben. Er ist selbst bei Demonstrationen der Gelbwesten mitgegangen, hat mit vielen von ihnen gesprochen und sich trotzdem einen unabhängigen Blick bewahrt. Auch hier stimmt es, von einer Folge der Disparität von Stadt und Land zu sprechen und gleichzeitig stimmt es auch wieder nicht. Viele ländlichen Regionen werden vernachlässigt, was zur Folge hat, dass sich Menschen ihr Leben trotz Vollzeitarbeit kaum mehr leisten können, aber das Gleiche trifft auf viele städtische Banlieues in oft noch viel größerem Ausmaß zu. Den Gelbwesten deswegen das Recht zu verwehren, für bessere Lebensverhältnisse auf die Straße zu gehen, wäre absurd; toll und politisch unglaublich interessant wäre es natürlich, sie würden das solidarisch und gemeinsam mit den BewohnerInnen der Banlieues machen.
Jeremy Harding is a contributing editor at the London Review of Books.