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Peter Leeb

Peter Leeb ist Aktivist bei FRISCH - Freiraum Initiative Schmelz und lehrt am Institut für Kunst und Architektur. Er ist Architekt und Partner von NURARCHITEKTUR in Wien.


Das Gebiet

Schmelz nennt sich ein Gebiet am nördlichen Rand des 15. Wiener Gemeindebezirks. Es umfasst eine Fläche von rund 30 ha und befindet sich im überwiegenden Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), also der Republik Österreich. Ein weitaus geringerer Teil, eine in nord-südlicher Richtung verlaufende Wegachse sowie ein Grundstück unter dem sich ein Wasserspeicher befindet, gehört der Stadt Wien. BIG und Stadt vermieten mit Ausnahme der Wege sämtliche Flächen an unterschiedliche Institutionen bzw. Vereine. So finden sich hier ein Gymnasium, Realgymnasium und Wirtschaftskundliches Realgymnasium (GRG15), das Universitätssportzentrum (USZ), die Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich (ASKÖ) sowie der Kleingartenverein ZUKUNFT auf der Schmelz (KGV). Der KGV ist »mit 659 Gärten Mitteleuropas größte Kleingarten-Anlage innerhalb verbauten Gebiets«, wie auf seiner Homepage zu erfahren ist.
Rudolfsheim-Fünfhaus, wie der 15. Wiener Gemeindebezirk auch genannt wird, ist mit einem Durchschnittsalter seiner BürgerInnen von 38,6 Jahren zwar der jüngste Bezirk Wiens gleichzeitig aber auch der einkommensschwächste. Der Anteil von Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft liegt weit über, die Versorgung der Bevölkerung mit Grün- und Freiraum mit 4,3m²/EinwohnerIn weit unter dem Wiener Durchschnitt. Er entspricht nicht einmal der Hälfte der Fläche, die WienerInnen im Schnitt zur Verfügung steht.
Die eigentliche Fläche ist aber noch viel geringer, nämlich nur 2,5m²/EinwohnerIn. Das hängt mit der Art zusammen, wie in Wien Grünflächen definiert werden: so fallen etwa auch Sportanlagen in diese Kategorie, welche im hier besprochenen Fall nahezu ein Drittel der gesamten Grünflächen des Bezirks ausmachen. Die weitläufigen Sportanlagen auf der Schmelz sind der Öffentlichkeit allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen und gegen Kostenersatz zugänglich. Für alle Menschen offen ist lediglich ein Netz von Wegen, welches nicht einmal einen Rundumgang erlaubt. Die Grünflächen auf der Schmelz beschränken sich damit auf Verkehrsflächen, die von schmalen Grünstreifen (Abstandsgrün) flankiert werden und auf einen extrem linear angelegten Kinderspielplatz.
Bis vor einigen Jahren noch gab es eine vertraglich nicht fixierte Übereinkunft zwischen dem ASKÖ und der Stadt Wien, welche den Menschen Zugang und Aufenthalt auf einem rund 8.500m² großen, teils erhöhten Bereich am Rand der Sportanlagen erlaubte. Mit dem Bau eines StudentInnenwohnheims (StuWo Apartmenthaus Schmelz) durch die Firma MIGRA wurde der Zugang dann aber 2012 gesperrt und auch nach Fertigstellung nicht mehr geöffnet.Die sehr eingschränkte Nutzungsmöglichkeit findet in einer Unzahl von Zäunen ihren sichtbaren Ausdruck.

Die Initiative

Es war dieser Neubau, der zur Gründung von FRISCH – Freiraum Initiative Schmelz führte. Die Gründerinnen, Edith Wildmann und Angelika Wolf, wollten unter allen Umständen eine weitere Beschränkung der Freiflächen verhindern und sich für die Öffnung von Grünraum für die Nachbarschaft einsetzen. Die Initiative wuchs in der Folge auf eine Gruppe von AktivistInnen mit unterschiedlichen Fachkompetenzen an. Gemeinsam stellte man Überlegungen über mögliche Zukunftsszenarien an, es gab historische Führungen auf der Schmelz, man organisierte Picknicks und festliche Veranstaltungen und vieles mehr. Das Planungsteam der Initiative erstellte eine Bestandsaufnahme des Areals und arbeitete gemeinsam mit den AktivistInnen Ideen und Vorschläge für die Schmelz aus. All das steht zusammengefasst in einer Broschüre, die bereits zweimal aufgelegt wurde. Der wichtigste Teil der Initiativarbeit bestand aber im Führen von Gesprächen mit allen Beteiligten. Die Initiative spricht seit nunmehr fünf Jahren mit allen ansässigen PächterInnen (ASKÖ, USZ, GRG15 und KGV), mit dem Bezirksvorsteher und anderen PolitikerInnen, mit Vereinen und allen, die in der Sache helfen könnten. Zur Verbesserung des Außenauftritts ist FRISCH seit Dezember 2014 als Verein organisiert.

Die Petition, ein Angebot der repräsentativen Demokratie

Gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit wollte FRISCH die Anliegen der Initiative ins Rathaus bringen und wählte das dafür vorgesehene Instrument der Petition, wie es in einem eigens dafür geschaffenen Gesetz vorgesehen ist. Die dafür benötigten 500 Unterschriften,[1] die von offizieller Seite als niederschwelliger Zugang bezeichnet werden, entpuppten sich in deren Erlangung als Schwerstarbeit: monatelang sammelten engagierte Menschen insgesamt 764 Unterschriften bis am 8. Juli 2014 die Petition endlich beim zuständigen Magistrat eingebracht werden konnte (zuvor wurden rund 1100 Unterschriften an den Bezirksvorsteher übergeben, viele davon entsprachen aber nicht den Formvorschriften). Es ist zwar auch möglich eine Petition online zu betreiben, allerdings werden damit viele Menschen, die entweder keine Bürgerkarte besitzen oder überhaupt nur über mangelnde Internetkenntnisse verfügen, von vornherein von dieser politischen Willensäußerung ausgeschlossen. Aus diesem Grund hatte sich FRISCH für die Papierform entschieden.[2]
Hier stellt sich die Frage, wen die Gesetzgebung als Adressat dieses demokratischen Instruments im Auge gehabt hat bzw. wie zugangsfreundlich Petitionen schon bei ihrem Beginn eingerichtet sind.
Mehr als ein halbes Jahr später nahm der Petitionsausschuss die Petition in einer ersten Verhandlung an und ersuchte die einzelnen betroffenen Einrichtungen um Stellungnahmen zum Inhalt der Petition. Kurze Zeit später, allerdings mittlerweile schon fast ein Jahr nach Einbringen der Petition, erhielt FRISCH Gelegenheit, den Inhalt der Petition vor dem Ausschuss im Verlauf der zweiten Verhandlung zu erläutern. Das Gesetz gestattet diese Erläuterung allerdings nur von einer einzigen Person, nämlich derjenigen, welche die Petition eingebracht hat. Oft treten Initiativen, ihrem kooperativen Charakter entsprechend, nach außen nicht als Einzelperson auf, sondern meist zu zweit oder als Gruppe. Diese Vorgangsweise hat sich auch für FRISCH bewährt. Das Format der Einzelpräsentation vor dem Ausschuss erscheint daher wenig angemessen und ist auch geneigt, die vorstellende Person zu verunsichern.
Zum Zeitpunkt der mündlichen Erläuterung lagen erst drei Stellungnahmen vor, die übrigen vier bzw. eine ergänzende Feststellung langten erst später ein. Es stellt sich die Frage, ob es nicht produktiver wäre, wenn dem Ausschuss zum Zeitpunkt der mündlichen Erläuterung sämtliche Standpunkte bekannt wären. Das würde einem breiten Verständnis wie einer allumfassenden Behandlung der Anliegen sicher zugutekommen. Im Verlauf der Erläuterung könnten sich ja auch Fragen stellen, die dann diskutiert werden könnten. So aber kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Ausschuss gar nicht ausreichend informiert sein wollte. Die Veröffentlichung aller Stellungnahmen erfolgte dann gemeinsam mit der Beantwortung der Petition nach dieser zweiten Verhandlung.
Für FRISCH bewirkte die Petition trotzdem einen, wenn auch nur kurzfristigen, moralischen Schub. Die Initiative konnte ihr Anliegen vorbringen und fühlte sich von der Politik ernst genommen. Für Initiativen wie FRISCH sind solche Ereignisse ungemein wichtig, sind sie doch Zeichen dafür, dass sich etwas bewegen könnte und die eingesetzte Zeit und Energie nicht sinnlos gewesen sind. Im Gegensatz zu allen anderen Beteiligten sind die AktivistInnen von FRISCH ehrenamtlich tätig und brauchen daher immer wieder aufmunternde Erfahrungen, um die Anliegen voranzutreiben. Diese Hoffnung wurde durch die Beantwortung der Petition gestützt. Sie enthielt im Wesentlichen eine Empfehlung an den zuständigen Bezirksvorsteher, einen Dialogprozess sicherzustellen, der die erweiterte Öffnung von Arealen auf der Schmelz zum Ziel haben sollte.

Der Dialog

Ein weiteres Jahr und einige Gesprächsrunden später zeigt sich, dass ein Dialogprozess, der ohne verlässliche PartnerInnen geführt wird, nicht zum Ziel führt, geschweige denn überhaupt in der Lage ist irgendetwas zu bewegen.
FRISCH hat von Anfang an das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht und dabei sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen waren die Aufnahme und das Gesprächsklima freundlich wenn auch meist eher unverbindlich. Zu Beginn war das Interesse auf allen Seiten sehr groß, offenbar wollte man unter den Beteiligten herausfinden, was von der Initiative zu erwarten ist. Fast alle sahen in den Anliegen etwas Positives, etwas, das man durchaus unterstützen könnte, wären da nicht Sicherheits- und Haftungsfragen, bestehende Regelungen und Verträge, alle möglichen Gesetze, Verantwortlichkeiten gegenüber Vereins-mitgliedern, eigene Pläne für die Zukunft der Areale und vieles mehr. Leider hat FRISCH in den eigenen Reihen niemanden, der mit rechtlichen Angelegenheiten ausreichend vertraut wäre, um auf derartigem Terrain bestehen zu können: so werden Gesetzestexte und Regelungen von Institutionen oft gegen bestimmte Anliegen in Stellung gebracht, nur zum Teil besprochen oder bewusst verschwiegen, um den eigenen Standpunkt zu stärken. Das Recht scheint sich in diesen Fällen gegen die Bürger und Bürgerinnen zu richten.
Die Initiative, deren AktivistInnen anfänglich mit den organisatorischen und hierarchischen Eigenheiten der ansässigen Institutionen nicht so vertraut waren, hatte jede Menge zu lernen. So geschah es etwa, dass über ein Jahr lang Gespräche mit einem Vertreter einer der beteiligten Institutionen auf der Schmelz geführt wurden, ohne zu wissen, dass dieser Vertreter gar nicht der Ansprechpartner war, der Entscheidungen über die Areale treffen kann. In einem anderen Fall war die Kontaktaufnahme des Öfteren sehr problematisch: Emails wurden nicht beantwortet, Telefonanrufe wurden nicht entgegengenommen bzw. retourniert. Auf diese Weise wurde von der Initiative viel Arbeit geleistet, die sicherlich einiges an Engagement auf die Probe gestellt und so manche Aktivistin sogar entmutigt hat.
Es fanden bisweilen auch sehr große Gesprächsrunden statt, die nicht produktiv waren und recht ermüdend wirkten. Es gab aber auch einen Versuch, die Initiative für eigene Anliegen zu instrumentalisieren, indem auf einmal Themen und Pläne hervorgeholt wurden, von denen zuvor noch nie die Rede war und die nun im Zusammenhang mit den Anliegen von FRISCH neuen Antrieb erfahren sollten. Das Beispiel zeigt, wie sich Beteiligungsverfahren[3] durch Überbeteiligung negativ auf die Arbeit und die Ziele von FRISCH ausgewirkt haben. Es ging um die Vereinnahmung einer Veranstaltung im Zusammenhang mit dem S.USI-Park, einer Idee zur Öffnung zweier Vorgärten vor dem USZ.
Das vereinbarte Treffen wurde ohne Absprache künstlich um zahlreiche Personen erweitert, was, um scheinbar fair miteinander zu verhandeln, die Redezeit der Initiative minimiert hätte. Eine einseitig bestimmte Mediation um Fairness sicherzustellen, hätte wohl das genaue Gegenteil bewirkt. Was durch derartige Vorgangsweisen verschleiert wird, sind bestehende Macht- und Zugangsverhältnisse: die Stadt bzw. der Staat bringt hauptberufliche VertreterInnen in Stellung. Auf der anderen Seite finden sich ehrenamtlich agierende Aktivisten und Aktivistinnen, für die oft jede in den Dienst der Initiative gestellte Stunde der privaten Freizeit abgerungen worden ist. FRISCH hat an dieser bis ins Detail geplanten Veranstaltung nicht teilgenommen, da der Bezirksvorsteher, der ohne sein Wissen in dieses Treffen hineingeplant worden ist, seine Teilnahme nicht zusagen konnte.

Der Vorgarten des Universitätssportzentrums
Der Vorgarten des Universitätssportzentrums

Hoffnung und Enttäuschung

Im Sommer 2015 gab es Anzeichen dafür, dass die Verwirklichung einer Idee von FRISCH, dem S.USI-Park, in greifbare Nähe gerückt war: es handelte sich dabei um die Öffnung eines rund 700m² großen Grundstücks, das bis dato als eingezäuntes Abstandsgrün den Menschen verschlossen war. Für die Öffnung gab es die grundsätzliche Zustimmung des zuständigen Entscheidungsträgers, es gab die Bereitschaft die rechtlichen Einzelheiten auszuarbeiten und es gab die Zusage des Bezirks die Fläche im Fall der Öffnung in seine Obsorge zu übernehmen. Die Hoffnung war groß, dass es nach drei Jahren Arbeit zu einem ersten Erfolg kommen könnte. Aus verschiedenen Gründen, etwa den Wiener Gemeinderatswahlen, verzögerte sich die Umsetzung und schließlich waren die Tage des Entscheidungsträgers in dieser Institution gezählt. Sein Weggang bedeutete das Ende dieser kurzen Hoffnung, sein Nachfolger, der erst acht Monate später sein Amt antrat, ließ nach zwei weiteren Monaten mitteilen, dass an einer Öffnung dieser Fläche kein Interesse mehr besteht.
Hier wird ein Problem sichtbar, mit dem FRISCH in der Folge noch ein weiteres Mal konfrontiert sein sollte: die Diskrepanz zwischen Institution und leitender Person. Absichten, Versprechen und Entscheidungen, welche von leitenden Personen im Rahmen ihrer Tätigkeit gemacht worden sind, erweisen sich letztendlich als eher persönlich und nicht institutionell motiviert. Kommt es zum Personalwechsel, so gelten einmal gemachte Zusagen nicht mehr. Diese mangelnde Verlässlichkeit von Institutionen macht die Arbeit von Initiativen wie FRISCH – langfristige Ziele mit entsprechendem Zeithorizont zu deren Verwirklichung – noch einmal mühsamer. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass diese Enttäuschung auch vom Bezirksvorsteher, dem einzigen treuen Unterstützer von FRISCH, erfahren werden musste. Er beklagte diesbezüglich die mangelnde Handschlagqualität der betreffenden Gesprächspartner.

Das Recht

Die Schmelz ist ein gutes Beispiel dafür, wie Grundstücke, welche sich im Besitz der Öffentlichkeit befinden, dieser Öffentlichkeit mit rechtlicher Deckung entzogen werden. Partikularinteressen werden in Stellung gebracht, um jedwede Veränderung zu verhindern. Der Ausspruch, »Wir würden ja gerne, allerdings sind uns von Rechts wegen die Hände gebunden« ist ein Stehsatz bei so ziemlich allen Gesprächen gewesen. Es ist natürlich viel bequemer sich auf den abstrakten Schutz von Regelwerken, die letztendlich niemand so wirklich genau zu kennen scheint, zu verlassen, als innerhalb dieser Regeln nach alternativen Möglichkeiten der innerstädtischen Landnutzung nachzudenken. Es ist verständlich, dass die einmal aufgeteilte Interessenslage in ihrer Vereinzelung eine notwendige Gesamtbetrachtung über den eigenen Tellerrand hinaus nicht nur nicht erforderlich macht, sondern eine derartige Sicht der Dinge als durchaus lästig und störend empfunden wird. In diesem Zusammenhang wünscht man sich als Initiative die fachliche Unterstützung der Stadt und ihrer Verwaltung. Eine eigene Stelle, die sich im Zusammenwirken mit dem Petitionsausschuss der rechtlichen Fragen zu den Anliegen von Bürgerinitiativen in unabhängiger Weise annähme, wäre eine äußerst brauchbare Hilfe im Dienst der Partizipation und würde die Machtverhältnisse in die richtige Richtung verschieben.

Die Politik

Die Stadt Wien wird erst seit wenigen Jahren von einer Koalition aus zwei Parteien regiert. Inwieweit diese Teilung der Macht im Rathaus sich auf die Kooperationsverhältnisse zwischen Stadtregierung und Bezirksverwaltung auswirkt, kann nur vermutet werden. Aus der Sicht von FRISCH kann jedenfalls gesagt werden, dass trotz positiver Behandlung der Petition im Petitionsausschuss eine definitive Unterstützung der Initiative durch das Rathaus bis heute nicht erkennbar ist.
Hier liegt ein weiteres Hindernis für Initiativen wie FRISCH: das Anliegen ist zwar an sich recht einfach (Öffnung von Flächen für Freiraum), allerdings sind die Verhältnisse wegen der Anzahl der Beteiligten doch recht komplex und es wären wohl viele Gespräche notwendig, um etwas zu erreichen. Eine Handvoll ehrenamtlich agierender AktivistInnen kann hier auch mit Unterstützung des Bezirks kaum etwas bewirken.
Es gibt Vorstellungen wie die politischen Einflussbereiche in dieser Stadt beschaffen sind. Daraus nähren sich bisweilen Hoffnungen auf sinnvolle Vernetzung zur Umsetzung von Zielen. In vielen Gesprächen hat FRISCH immer wieder versucht Leute zu finden, die der Initiative helfen könnten: einerseits, um überhaupt einmal eine Gesprächsmöglichkeit herzustellen, andererseits aber auch um Hilfestellungen und Verbündete zu finden.
Teilweise werden Verbindungen von Personen, welche politisch tätig sind, zu Personen innerhalb von institutionellen und Vereinsstrukturen, denen ein Naheverhältnis zur mächtigsten Partei der Stadt nachgesagt wird, schlicht in Abrede gestellt. Nicht einmal eine Bekanntschaft wird zugegeben, um ja keine falschen Schlüsse zu ziehen. Wenn sich dann nach einer kurzen Internetrecherche herausstellt, dass sich betreffende Personen doch kennen müssen, ist die Verwunderung nicht so groß wie die Einsicht, dass hier etwas um jeden Preis erhalten werden möchte. Politische Verbindungen, professionelle Bekanntschaften und die Verwendung bestehender Netzwerke gehören zur Realität und können nur legitimiert werden, wenn sie für die Menschen dieser Stadt zum Einsatz kommen.

Der Bau des Gemeinschaftsgartens.
Der Bau des Gemeinschaftsgartens.

Ein positives, wenn auch einfaches Beispiel stellt die Errichtung eines von FRISCH initiierten Gemeinschaftsgartens auf der Schmelz dar: dank der Unterstützung des Bezirksvorstehers konnte dieser Garten rasch und unbürokratisch genehmigt, gefördert und auch errichtet werden. Wegen des Erfolges soll demnächst ein zweiter Garten folgen.
Öffentlichkeit, ob als hoheitliches Handeln oder als privatwirtschaftlich geführte Verwaltung, bedeutet den Bürgern und Bürgerinnen gegenüber eine bestimmte Verantwortung wahrzunehmen. Auch von anderen öffentlichen Einrichtungen und Vereinen sollte Verantwortung erwartet werden können. Das entsprechende Zusammenspiel all dieser unterschiedlichen Einheiten unter städtischer Federführung wäre eine der zeitgemäßen Antworten auf die Herausforderungen und Möglichkeiten in dieser Stadt.
Die direkte Begegnung mit den Verantwortlichen verlief in den meisten Fällen nicht auf Augenhöhe. Entweder wurden die Anliegen der Initiative als unrealistisch, lästig und entbehrlich abgetan oder es wurde auf Zeit gespielt in der Hoffnung, dass sich die Dinge von selber erledigen und der Initiative irgendwann die Luft ausgeht. So fühlt man sich als AktivistIn sehr oft alleine gelassen.
Ein grundlegendes Ziel von FRISCH ist die Aktivierung der Menschen aus der unmittelbaren Umgebung, die sich mit der beengten Freiraumsituation auf der Schmelz tagtäglich auseinandersetzen müssen. Dies geschieht z.B. durch die sozial positiven Effekte des Gemeinschaftsgartens (Treffen und Gespräche mit PassantInnen). Ein Beteiligungsprozess unter Einbindung der Nachbarschaft bietet sich hier als Ausweg aus dieser Situation an. Von der Stadt unterstützte Beteiligungsprozesse[4] beginnen allerdings erst nach Klärung der Grundlagen. Zu diesen gehören in erster Linie die Verfügbarkeit von Raum sowie der Wille zur Veränderung. Eine Unterstützung dafür diese Voraussetzungen zu schaffen, ist offenbar nicht vorgesehen und so ist es auf der Schmelz bis heute zu keinem Beteiligungsprozess gekommen.
Die berechtigte Frage zu welchem Zeitpunkt Beteiligung beginnt, wäre jedenfalls zu überdenken. Wie jede Initiative, so ist auch FRISCH auf eine entsprechende Wirkung in der Öffentlichkeit angewiesen. Die Erläuterung der Ziele, die Berichterstattung über gewöhnliche und außergewöhnliche Aktivitäten und die ausgewogene Darstellung der Aussagen aller Beteiligter bieten den Menschen ein Bild von der Initiative. Leider musste FRISCH immer wieder feststellen, dass Institutionen und PolitikerInnen in diesen Berichten die Möglichkeit hatten, die Aussagen von FRISCH zu erwidern, was umgekehrt nicht der Fall war. Auch die bewusst falsche Darstellung der Ziele der Initiative gehört anscheinend zu den bewährten Methoden. Jedenfalls wünscht man sich für Veröffentlichungen eine Situation der Gleichberechtigung und Fairness.

Ausblick

Nach fünf Jahren anstrengender aber auch interessanter Initiativarbeit muss erkannt werden, dass die Beharrungskräfte gegenüber den angestrebten Öffnungen sehr stark sind. Trotz vereinzelter Lichtblicke ist der Kampf für mehr Freiraum einer, den man ohne politische Unterstützung nicht gewinnen wird können. Alle noch so wohlmeinenden Bekundungen seitens der verantwortlichen Stellen bleiben ohne entsprechendes Handeln nur wirkungslose Absichtserklärungen.
Es wird sich zeigen, wie lange FRISCH die Vision für die Schmelz noch am Leben erhalten wird können. Die Stadt ist jedenfalls gefordert.

Peter Leeb ist Aktivist bei FRISCH (www.freiraum–schmelz.at) und lehrt am Institut für Kunst und Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien. Er ist Architekt und Partner von NURARCHITEKTUR in Wien.

Fußnoten


  1. Voraussetzung für die Gültigkeit der Unterschrift der UnterzeichnerInnen ist die Vollendung des 16. Lebensjahres und die Stadt Wien als Hauptwohnsitz. ↩︎

  2. Der Inhalt der Petition: »Für eine Öffnung der Schmelz. Mehr Grün für die Menschen im 14., 15. und 16. Bezirk!« und die Stellungnahmen sind hier nachzulesen: www.wien.gv.at/petition/online/PetitionDetail.aspx PetID=2253eddd9bf64536b27e268145481da9 ↩︎

  3. Unter Beteiligungsfahren ist hier die Einbindung der unmittelbar betroffenen Institutionen und Vereine zuzüglich der Bezirksvorstehung zu verstehen. ↩︎

  4. FRISCH erwartet sich durch einen von der Stadt initiierten Beteiligungsprozess vor allem wirkliche und ernst gemeinte Anstrengungen von allen PächterInnen der Grundstücke auf der Schmelz. Die Stadt kann dazu alle möglichen Ressourcen zur Verfügung stellen (erfahrene Leute, Räume, alternative Möglichkeiten in der Verhandlung, etc.). ↩︎


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