Rollrasenaktion Karlsplatz
Ein Platz in einer Stadt wird dann besonders wertvoll, wenn er Ansatzpunkte für alle möglichen, selbst zu gestaltenden Formen der Nutzung bietet. Ein solcher Platz legt sich nicht unbedingt auf eine Alters- oder NutzerInnengruppe fest; er muss in der Lage sein, mit all seinen NutzerInnen als auch Ansprüchen mitzuwachsen. Er kann somit Raum für sich wandelnde Formen des Gebrauchs durch verschiedene Aktionen und Inszenierungen bieten. So kann und soll Stadt erlebt werden.
Ein Platz in einer Stadt wird dann besonders wertvoll, wenn er Ansatzpunkte für alle möglichen, selbst zu gestaltenden Formen der Nutzung bietet. Ein solcher Platz legt sich nicht unbedingt auf eine Alters- oder NutzerInnengruppe fest; er muss in der Lage sein, mit all seinen NutzerInnen als auch Ansprüchen mitzuwachsen. Er kann somit Raum für sich wandelnde Formen des Gebrauchs durch verschiedene Aktionen und Inszenierungen bieten. So kann und soll Stadt erlebt werden. Wo doch in diesem Jahrzehnt überall in Europa über die Stadt und das Stadtleben diskutiert wird. Die Aufmerksamkeit gilt somit der Attraktivität der städtischen Freiräume. Am Anfang war die Idee einer beispielhaften Inszenierung, einer Persiflage über die Nutzbarkeit bzw. die Nutzbarmachung befestigter, städtischer Freiflächen. Eine Persiflage, da mit einem Minimum an Materialien und Mitteln das fast schon städtische Phänomen, weil selten erlebbar, eines Rasens in mobiler, steriler Form an die Bevölkerung herangetragen werden sollte. So fand am 06.07.00 die Rollrasenaktion auf dem Karlsplatz in Wien statt. Von 08 bis 22 Uhr konnte man sich unentgeltlich eine erdlose Rollrasenmatte (240x60 cm) ausleihen. Diese konnte, durfte, sollte man an einem individuellen Platz im Bereich vor der Karlskirche bzw. um den Ententeich ausbreiten und beliebig nutzen. Wer es satt hatte, unentwegt auf harten, unbequemen Pflastersteinen zu gehen, zu sitzen oder gar zu liegen, konnte und durfte sich »gehen lassen«, sich eine Rolle Rasen nehmen und sich sein ganz individuelles Plätzchen suchen. Platz gab es ja genug. Scheinbar motiviert durch diese eher unübliche Art und Weise, einen Rasen präsentiert und genutzt zu bekommen, wurde gelegen, gesessen, gelümmelt, gespielt, geturnt, gepicknickt, geschlafen, gelauscht, gesonnt, gestaunt, getragen, gegangen, gelacht, ja sogar getanzt. Ein herrlicher, g´miadlicher Tag, der bis in die Nachstunden dauerte. Diese Rollrasenaktion wurde von öffentlicher Seite her sehr breit unterstützt. Der Bezirk, das Stadtgartenamt, das Stadtratbüro für Planung und Zukunft und die Projektkoordinationsstelle für Mehrfachnutzung erwiesen sich als - für österreichische Verhältnisse - atypische Behörden und Ämter, standen schnell und hilfreich hinter der Idee und leisteten routiniert Hilfestellungen in allen Belangen. Musikalisch umrahmt von etlichen Dj's etablierte sich eine stimmungsvolle Kulisse.
Die Aktion fand als empfohlener Exkursionsprogrammpunkt des internationalen Kongresses zum Thema »lebenswerte Stadt« (IMCL-international making cities livable), der in jener Woche im Wiener Rathaus stattfand, sogar seinen Platz. Ob tatsächlich KongressteilnehmerInnen aufgetaucht waren, konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Die insgesamt hundert Quadratmeter Rollrasen wurden zur Gänze gesponsert und - wie wir nachträglich erfahren durften - wiederverwendet. Dass sich der ORF der Aktion auch annahm und der gesamte Platz als Kulisse für die regionale Wettervorhersage der Sendung »Wien Heute« herhalten musste bzw. durfte, war weder inszeniert noch vorhersehbar gewesen. »Radio Wien« schickte auch ganz unverhofft einen Reporter vorbei. Auch wenn der Karlsplatz ein belebter und erlebbarer Platz war und ist, so darf ich behaupten, dass die Rollrasenaktion eine beispielhaft breite Akzeptanz bei der Bevölkerung fand. Offensichtlich war ein schmackhaftes Thema aufgegriffen worden. Ein städtischer Freiraum wurde in einer bisher einmaligen Weise zu beleben geschafft, sodass sich viele dadurch angesprochen fühlten. Eigentlich war es nur ein Versuch, städtische, befestigte Freiflächen neu zu inszenieren und vielen den Zugang bzw. die Nutzbarmachung zu ermöglichen. Nicht der Beton sollte der Wiese bzw. dem Rasen weichen, sondern ein ergänzendes, flexibles Nebeneinander sollte entstehen. Wie eine Parkbank sollte der Rasen besetzt, belegt, bespielt werden können. Es sollte kein Nachahmen oder Symbolisieren der Natur stattfinden, sondern vielmehr ein Fördern der Natur des Menschen, sich wieder einmal Zeit zu nehmen und sich womöglich noch zu erholen. Dieses »Sich Zeit Nehmen« sollte nicht wie üblich nach Hause, in den Urlaub oder an sonstige spezielle Plätze gebunden sein, sondern eigentlich überall in der Stadt ermöglicht werden. Großes Anliegen ist es uns, diese Idee urheberrechtlich nicht zu schützen, da wir auf rege Nachahmung hoffen. Bisherigen Informationen zufolge ist die Aktion bereits für nächstes Jahr schon in Zürich geplant.
Alexander Kuhness
Wolfgang List