Stadt, Hinterland, Flüsse
Landschaften des Aufstands (oder: Die Poesie der Autobahnzufahrten)Anders als die meisten Hauptstädte der Welt ist Paris von einer klaren, vergleichsweise engen Grenze umgeben, die die historischen zwanzig Arrondissements von späteren Ausdehnungen eindeutig trennt. Im 19. Jahrhundert war diese Stadtgrenze eine Festungsanlage. Die damals schon anachronistische Abwehrmaßnahme gegen feindliche Artillerie wird deren Baumeister Adolphe Thiers später, als die Stadtbevölkerung der von ihm geführten Regierung den Kampf ansagte, bereut haben. Ohne die Fortifs (wie das Befestigungswerk im Volksmund hieß) hätte die Pariser Commune nicht stattfinden können. Die Stadtmauer schützte das soziale Experiment vor Angriffen der nach Versailles geflüchteten Staatsgewalt. An den Forts wurde auf Leben und Tod gekämpft, so wie später auf den Barrikaden, jenen nach innen verlagerten Forts. Zugleich markierte die steinerne Membran einen freien Innenraum, die Commune in der dreifachen Bedeutung von Territorium, Bevölkerung und Verwaltungsform. Der Idee des Kommunalismus, einer Föderation autonomer und selbstverwalteter Gemeinden, entsprach die starke Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt, vor allem mit dem Viertel, wo sie wohnten, arbeiteten, in Kneipen und Clubs verkehrten und die Nachbarn kannten. Diese Identifikation sollte übrigens nicht mit Lokalpatriotismus verwechselt werden, Paris war damals schon eine kosmopolitische Stadt, viele prominente Kommunarden und Kommunardinnen waren Ausländer.
Guillaume Paoli, geboren in Frankreich, lebt in Berlin und war Mitbegründer der Glücklichen Arbeitslosen, sowie Hausphilosoph im Leipziger Theater.