Anna Vukan


Es sind nicht mehr nur Stadtverwaltungen, die Städte und Räume planen, in denen wir leben, sondern Bürger und Bürgerinnen selbst, die vermehrt zur Gestaltung ihrer Umwelt beitragen. So begegnet man immer häufiger Projekten im öffentlichen Raum, die aus lokalen Initiativen heraus entstanden sind und sich häufig durch scheinbar improvisierte Ästhetik auszeichnen; mit dem Ziel, einen Ort bestmöglich an die Bedürfnisse der NutzerInnen anzupassen und eine Stärkung der Gemeinschaft herbeizuführen. »Stadt selber machen« war schon 2012 das Motto von urbanize! – Festival für urbane Erkundungen, und so nennt sich nun auch die jüngst veröffentlichte Masterarbeit von Laura Bruns. Bruns studierte an der Zürcher Hochschule der Künste und ist Initiatorin des Projekts Stadt statt Strand (<www.stadtstattstrand.de>), das kleinste Formen von Aneignung des öffentlichen Raumes sammelt und dazu motivieren möchte, selbst aktiv zu werden. Eineinhalb Jahre lang hat sie deshalb eine Vielzahl solcher selbstinitiierter Projekte unter die Lupe genommen. »Beim Stadt-selber-Machen geht es auch um die Frage, in welcher Stadt wir leben wollen, wie Akzente gesetzt werden können und welche Rolle die Kommune spielt.« Ergebnis ihrer Analyse ist ein Handbuch für all jene, die aktiv zur Stadtgestaltung beitragen möchten und wie die Autorin selbst der Meinung sind, »dass auch kleinste persönliche Eingriffe ins Stadtbild zur Aufwertung eines Viertels und zu einem gesunden Miteinander führen können.« Beispiele, theoretische Auseinandersetzungen und mögliche Handlungsanleitungen gliedern das Buch in drei Kapitel.
Für ihr Buch wählte Laura Bruns aus den untersuchten Projekten acht Beispiele, um diese in Steckbriefmanier zu beschreiben. Über zwei davon kann man über Interviews mit Beteiligten auch Näheres erfahren. Das Spektrum der gewählten Exempel aus Hamburg, Berlin und Zürich ist jedoch nicht unbedingt weit gefasst, so handelt es sich bei den Initiativen vorwiegend um Stadtmöblierungen und Formen von Urban Gardening. Dennoch bieten sie eine gute Grundlage für die Entwicklung eines Leitfadens zur eigeninitiierten Raumaneignung. Denn Stadt selber machen, so Bruns, bedeutet sich Raum aneignen, weshalb sie sich dem Begriff der Aneignung auch theoretisch nähert, um diesen dann mit städtischem und öffentlichen Raum in Beziehung zu setzen. Sie entwickelt dabei ihre eigene Definition des Begriffs und generiert so 14 Leitlinien, die darstellen, worauf es ihres Erachtens bei der städtischen Raumaneignung ankommt.
Es ist der dritte Teil des Buches, der eigentlich als Handbuch zu verstehen ist. Auch wenn es garantiert keinen konkreten Masterplan gibt, wie man ein Projekt entwickelt und umsetzt, ist es dennoch sinnvoll, zielgerichtet und organisiert vorzugehen. Deshalb hat die Autorin einen übersichtlichen und informativen Katalog ihrer gewonnen Erkenntnisse erstellt und Tipps und Hinweise zum Stadt-selber-Machen zusammengetragen.
So spielt die Wahl des Ortes eine entscheidende Rolle für das Gelingen eines Projekts – nicht überall hat man die gleichen Möglichkeiten und Spielräume. Um einen Prozess in Gang zu setzen, gilt es also den richtigen Ort zu wählen, zu beobachten, sich Informationen zu verschaffen und gewonnene Erkenntnisse zu evaluieren und dann doch wieder den Kopf frei zu machen, um eine Idee zu entwickeln, die es dann auch umzusetzen gilt – die sechs Schritte des so genannten »Urban Design Thinking«. Bruns eröffnet hier auch konkrete Vorschläge, wie die einzelnen Schritte bestmöglich zu bewältigen sind, und bleibt auch dann nicht nur in der Phase der Ideenfindung verhaftet. Das Handbuch bietet Informationen zu Materialbeschaffung, Nutzung möglicher vorhandener Ressourcen, Tipps zu Formen der Gestaltung und selbstständigem Bauen, aber auch zur Instandhaltung und Pflege eines Projekts. Ebenso aufgelistet sind eine Reihe von Möglichkeiten, wie ein Projekt finanziert werden kann. Dabei bietet Bruns einen Überblick unterschiedlicher Crowdfunding-, Förderungs- und Sponsoringmodelle. Sie versäumt aber auch nicht, auf verschiedene rechtliche Vorgaben hinzuweisen. Gespickt sind die Kapitel außerdem mit kleinen Informationskästchen, die darauf hinweisen, worauf zusätzlich oder im Besonderen zu achten ist.
Immer wieder weist die Autorin auch darauf hin, dass Teamarbeit in der Verwirklichung von Projekten im Stadtraum von Vorteil ist und wesentlich zum Gelingen eines Projektes beiträgt. Alle Beteiligten gut einzubinden, (internationale) Netzwerke zu bilden und MedienpartnerInnen zu finden spielt dabei ebenso eine Rolle. Die Übersichtlichkeit des Buches und die aufgelockerte Gestaltung mit Bildern und vielen graphischen Elementen lädt dazu ein, diesen Leitfaden immer wieder zur Hand zu nehmen um sich über das eine oder andere zu informieren.
Da sich jedoch Finanzierungsmodelle und rechtliche Situation überwiegend auf Deutschland beschränken, sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Gebietsbetreuung GB* der Stadt Wien kürzlich eine Broschüre herausgegeben hat, die anhand bereits realisierter Projekte in allen Wiener Bezirken Ideen, Anregungen und Anleitungen liefert, an der Gestaltung städtischen öffentlichen Raumes teilzuhaben. Da die Gebietsbetreuungen im Auftrag der Stadt Wien arbeiten, darf man sich hier allerdings keinerlei Tipps & Tricks erwarten, die sich nicht eng an den vorgegebenen und offiziell gewünschten Rahmen halten. Die Broschüre nennt sich Do it Yourself. Stadtanleitung und ist sowohl als Download über die Webseite der Gebietsbetreuung als auch über die einzelnen GB*-Lokale zu beziehen.


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