Anna Meyer

Martin Prinzhorn


Projekt beim Museumsquartier im Sommer 2000, 400cmx400cmx350cm, Oel auf Aluminium, Holzkonstruktion/ Beton.
Es ist vorgesehen die Boards ab Mitte Oktober an neuen Standorten zu zeigen, evt. beim Historischen Museum der Stadt Wien, zeitgleich mit der Ausstellung in der Galerie Krobath Wimmer.
Photos: Anna Meyer

Immer wieder ist in der Malerei die Einheit des Bildes hinterfragt worden. Ein autonomer Repräsentationscharakter, bei dem sich alles auf einem Stück Leinwand festmachen läßt, wird schon in der Renaissancemalerei hinterfragt, indem Ebenen vor und hinter dem Bild eingeführt werden und letztendlich auch die BetrachterInnen Teil einer Szenerie in fiktiven Räumen werden. In der Programmatik der abstrakten Malerei wurde zwar teilweise der Versuch unternommen, die Idee des reinen und autonomen Bild jenseits des Objekthaften voranzutreiben, dies bleibt jedoch immer fiktives Ideal. Das Aufkommen der Installationskunst hat mit zu neuen Versuchen in der Malerei geführt, über die kontextuelle Situierung eines Gemäldes nachzudenken und diese Problematik sowohl malerisch als auch installativ zu bearbeiten. Es geht hierbei allerdings nicht mehr nur um die Herstellung und Verfremdung psychologischer Räume um das Bildobjekt herum, sondern gleichzeitig auch um die physische Erweiterung dieses Objekts. Der Versuch wird nicht mehr unternommen, Bilder als unabhängige Einheiten für neutrale »white cubes« zu schaffen, mit ihrer räumlichen Verankerung wird bewußt gespielt. Die Bildebene kann sich sozusagen nicht nur von innen heraus erweitern, sie kann auch nach außen gehen, in der Umgebung inszeniert werden und so die Grenzen des Mediums unterlaufen.
Von ihrer Thematik her scheinen Anna Meyers Bilder zunächst sehr einfache, fast affirmativ wirkende Geschichten zu erzählen: Landschaften, Strände, Autos, Mädchen, Stadtansichten mit Reklametafeln geben eine beliebige Gute-Laune-Malerei vor. Die fast unwirklich wirkende Ästhetik erinnert an Landschaftsmalerei des amerikanischen Westens beziehungsweise an deren Nachfolge in der Pop Art. Im Gegensatz dazu steht aber ein sehr inszenierter Charakter des Dargestellten, bei dem die üblichen Regeln von Vorder- und Hintergrund, von Fokussierung auf ein Motiv auf den Kopf gestellt werden. Oft wirkt es, als würden sich Motive gewaltsam in den Vordergrund drängen und die Größenverhältnisse in inhaltlicher Hinsicht unterlaufen. Bei einer Strandszene verdrängt ein metallisch clean wirkendes Auto eine Gruppe von Mädchen, die Sex miteinander haben, und im nächsten Bild sind sie nur noch ein nicht erkennbarer Farbhaufen. Bei anderen Bildern mit ähnlichen Motiven scheinen die Autos mehr zu posieren als die Mädchen. Kurz drängt sich dabei der Gedanke an Werbephotographie auf, aber das Ganze ist eben eine explizit disharmonische Inszenierung, mit der nicht Bestimmtes verkauft wird. Die Billboards als Ikonen des urbanen Südkalifornien werden prominent ins Bild gesetzt, auf ihnen finden sich aber unspektakulär gemalte Sprüche, die vom Kontext her politische Graffiti sind. Die Menschen auf den Bildern werden oft nur wie Gegenstände in eine Szenerie eingepaßt und kriegen so etwas Puppenartiges. Die Besetzung des dargestellten Raumes und die Besetzung der zweidimensionalen Bildfläche fließen in Anna Meyers Bildern gerade durch diese Widersprüchlichkeiten auf formaler und inhaltlicher Ebene ineinander und bilden so einen starken Gegensatz zur oben erwähnten Beliebigkeit. Eine klare Linie des Bildaufbaus mit einem Zentrum und einer Peripherie kommt nicht zustande, obwohl sie diese zunächst durch Motiv und realistische Darstellungsweise vorzugeben scheint. Auch wenn man versucht, die Bilder im Geiste zurückzuverfolgen und sich ihre Entstehung über Photoschnappschüsse vorstellt, kommt man nicht weiter, weil es sich um keine einfache Übersetzung eines Mediums in ein anders handelt. Photographie spielt sicher eine Rolle, etwa ihre Inszenierung in der Werbe- oder Modephotographie oder hinsichtlich der Effekte, die entstehen, wenn in der Perspektive etwas schiefgeht. Entscheidend sind aber doch die Gegensätze und Irritationen, die mit malerischen Mitteln erreicht werden und die auch die durch seine Tradition gegebene Vorbelastetheit des Mediums ausnützen. In den Bildern wird immer mit Anordnungen und Installationen gespielt, die die Möglichkeiten des Bildes als einfaches »Fenster in die Welt« hinterfragen: Die Holzkonstruktion für das Billboard auf dem Hausdach ist beim Blick auf die Vorderseite leer, so etwas wie eine weiße Leinwand vor dem Himmel über Los Angeles. Die Szenerie in den Bildern wird bei genauem Hinsehen immer komplexer und hintergründiger, die zunächst vermutete Banalität der Motive stellt sich als Falle heraus.
Dieses Spiel wird von der Malerin aber nicht nur in das Bild hineingetragen, sondern auch nach außen hin weitergeführt. Vergangene Ideale einer Autonomie des Tafelbildes werden so endgültig aufgegeben. Das Mißtrauen der Modernisten gegenüber räumlicher Inszenierung und der Vorwurf der Theatralität bei einer kontextuellen Verankerung von Kunst im Raum wird auf genau dieser Ebene nochmals zurückgewiesen. In einer Performance in Los Angeles stellt die Künstlerin zum einen dreidimensionale Architekturmodelle vor die gemalte Skyline, zum anderen werden die Bilder wie kleine Häuschen in den Raum gestellt. Der Mix von Malerei und Skulptur ist nun endgültig. Die Bilder werden aus dem gewohnten Raum auf Außenwände und Billboards gebracht, stellen aber gleichzeitig oft Außenwände und Billboards dar. Das Auto aus dem einen Bild transportiert in einer anderen Situation als dreidimensionales Modell ein anderes Bild, in einem Innenraum gibt es ein Miniaturbillboard mit einem Gemälde und draußen, durch ein Fenster sichtbar, steht ein großes. In den neueren Arbeiten greift Anna Meyer immer mehr politische Themen auf, die Demonstrationen vom Jahresbeginn dienen ihr als Motiv, die Transparente werden zu Bildern in den Bildern und die Bilder werden wiederum wie Transparente installiert. Der Mix betrifft also nicht nur mehr Fragen des Mediums und des permanenten Überschreitens seiner Grenzen, sondern auch die Möglichkeiten des Transports von Inhalten in der Kunst. Das Wort, oft fragmentarisch und kein Text, als Bild in einem figurativen Bild und dieses wiederum in einem Kontext, in dem man das gemalte Wort erwarten würde. Die Repräsentation der Repräsentation der Repräsentation. Es ist also eine Malerei, in der mit der Virtualität von Ebenen gespielt wird, diese Ebenen können nicht mehr festgemacht werden, es gibt kein »ursprüngliches« Bild mehr, genauso wenig wie es eine Ebene der Realität in Science-Fiction-Filmen wie »The Matrix« gibt. Keine Reduktion, sondern Öffnung in alle Richtungen, schneller Wechsel zwischen den Dimensionen, seien diese inhaltlicher oder formaler Natur. Die Malerei ist in den letzten Jahrzehnten oft deshalb kritisiert worden, weil sie ein zu spezifischer Ort der Kunst sei und daher nur an spezifischen Orten positioniert werden könne. Anna Meyer hält an ihr fest, beraubt sie aber der mit ihr verbundenen Lokalitäten und Beschränkungen. Ob sie dann tatsächlich noch existiert, wird so letztendlich zu einer völlig uninteressanten Frage, die Zwischenräume sind als Gerüst stark genug und stellen immer neue Zusammenhänge her.


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