Andre Krammer

Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.


Im Wiener MAK ist dem österreichisch- schwedischen Architekten Josef Frank (1885- 1967) derzeit eine umfangreiche Ausstellung gewidmet. Gezeigt werden neben den architektonischen und städtebau- lichen Arbeiten auch unzählige Möbel- und Stoffentwürfe – großteils durch Originale repräsentiert.
Josef Frank wird oft als Bindeglied zwischen dem Gedankenarchitekten Adolf Loos und dem Gesamtkün- stler Josef Hoffmann wahrgenommen. Doch weist sein Werk in vielen Aspekten über das seiner etwas älteren Zeitgenossen, die er zudem um viele Jahre überlebte, hinaus. Es umfasst eine frühe Selbstreflexion der Moderne und eine Kritik an deren Dogmen, die bis heute relevant erscheint. So werden in der Ausstellung Bezüge zu verwandten Konzeptionen hergestellt, die bis in die Gegenwart reichen und Josef Frank aus der Umklammerung seiner Wiener Zeitgenossen befreien.
Josef Frank war bereits 1928 eines der Gründungsmitglieder des CIAM (Congrès Internationaux d‘Architecture Moderne) beim Gründungskongress im Schweizer La Sarraz. Doch bereits nach dem zweiten CIAM-Kongress verließ er die Vereinigung, deren dogmatische Ausrichtung er kritisierte. Die Biografie Josef Franks ist in Folge untrennbar mit den Verwerfungen der Zeitgeschichte verbunden. Der aus jüdischer Familie stammende, in Baden bei Wien geborene Architekt, musste 1933 nach Schweden emigrieren, wo er Chefdesigner der Stockholmer Möbelfirma Svenskt Tenn wurde. Nach 1945 gab es von offizieller Seite keine ernstzunehmenden Versuche, den Architekten, der die Zwischenkriegszeit in Wien maßgeblich mitgeprägt hatte, zurückzuholen. Erst auf Initiative einiger Proponenten der jüngeren Generation erhielt er schließlich 1965 – kurz vor seinem Tod – doch noch den Großen Österreichischen Staatspreis für Architektur.
Aus urbanistischer Sicht ist heute insbesondere Franks Verbindung mit der und Engagement für die Siedlerbewegung der 1920er Jahre interessant, die auch im umfangreichen und empfehlenswerten Ausstellungskatalog nacherzählt wird. Wie Adolf Loos und Margarete Schütte-Lihotzky unterstützte er die Bestrebungen einer Lebensreform von unten, die auf Raumaneignung und Selbstermächtigung setzte. 1919/22 errichtete er für ArbeiterInnen einer Papierfabrik eine Wohnkolonie, die als Work in Progress konzipiert war. Nutzgärten sollten die Selbstversorgung ermöglichen. Die Architektur war als Gerippe konzipiert worden, das erst durch Eigenleistung und Inbesitznahme vollendet werden sollte. Josef Frank stand der Gartenstadtbewegung nahe und war als künstleri- scher Leiter maßgeblich an der Konzeption der Wiener Werkbundsiedlung beteiligt.
Als sich im Laufe der 1920er Jahre der kommunale Wohnungsbau der Superblocks durchsetzte, kritisierte Frank demzufolge die Übernahme großbürgerlicher Wohnfo men durch die Arbeiterschaft. Geschoßwohnbau hielt er nicht für eine geeignete Lösung der Wohnungsfrage, obwohl er sich in Folge auch an diesem beteiligen sollte.
In der Ausstellung wird die Diplomarbeit Josef Franks gezeigt, die sich der Architekturtheorie Leon Battista Albertis widmete. Wohl nicht zuletzt um zu demonstrieren, dass die Auseinander- setzung mit der Geschichte einen hohen Stellenwert im Denken Josef Franks einnahm. An den unzähligen Sesselentwürfen – viele Originale sind in der Ausstellung zu sehen – lässt sich ein gelassener Umgang mit der Tradition und Innovation ablesen. Ein charakteristisch undogmatischer, spielerischer Zugang zu Entwurfsfragen wird spürbar, der auf Transformation und eine fortschreitende Modernisierung setzt. Die Architektur der von Frank entworfenen Häuser orientiert sich an den Bedürfnissen des Alltags. Avantgardistische Strenge ist ihnen fremd. Das Alltägliche und das Gewöhnliche wird in das Wohnen einbezogen. Die Entwürfe verweigern sich sowohl eines engen Funktionalismus, als auch eines freien Formalismus, halten die Dinge in Schwebe.
Franks berühmte Konzeption Das Haus als Weg und Platz kann als eine Urbanisierung des Wohnens verstanden werden, in der es um Situationen und Begegnungen geht. So findet sich auch der – etwas weit hergeholte – Verweis auf die Raumkonzeptionen der SituationistInnen in der Ausstel- lung. Auch der eine oder andere Bezug auf zeitgenössische Denkansätze erscheint etwas gewagt. Während die Referenz zu den für die einsetzende Postmoderne maßgeblichen Theorien eines Robert Venturi geradezu zwingend erscheint, da der amerikanische Architekt wie Frank die Relevanz populären Geschmacks bis hin zum Kitsch betonte, wirkt die hergestellte Verbindung zur Generic City von Rem Koolhaas dann doch etwas gewagt. Zur prekären Mischung aus Affirmation, Provokat- ion und Kritik des holländischen Architekten ist es dann doch noch ein weiter Weg.
Aus heutiger Sicht ist es die geradezu lässige Entspanntheit, die einem aus Josef Franks Werk entgegenschlägt, die einnimmt. »Man kann alles verwenden, was man verwenden kann« ist ein Ausspruch Franks, dessen Tautologie ein hohes Maß an Selbstironie verrät. Ebenso wie der Begriff des Akzidentismus, den ausgerechnet der vehemente Gegner aller Ismen geprägt hat. Frank empfahl Zufälliges zuzulassen und zu integrieren. Aber auch hier ging es ihm nicht um eine avantgardistische Entwurfsstrategie, sondern um eine an der Empirie des Alltags geschulte Gelassenheit. So sind die Assoziationen, die das offene Werk Franks heute hervorruft, auch in hohem Maß von der jeweiligen Lebenswelt der BetrachterInnen abhängig. Die einen werden in den späten, farbenfrohen Stoffentwürfen der 1960er Jahre die Ankündigung erster LSD- Phantasien sehen wollen, während andere in den floralen Mustern vielleicht Träume utopischer Stadtentwürfe des Architekten zu erkennen glauben, die sich dieser im Wachzustand wohl nicht zu formulieren erlaubt hätte.


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