» Texte / Eine Entdeckungs- und Beobachtungsreise durch Linz

Peter Schmidt


Bereits beim Betreten des Ausstellungsraums wird einem klar, dass man eine Ausstellung besucht, der eine ungewöhnliche Idee zugrunde liegt. Beeindruckt von der massiven aber doch wegen ihrer Verschachtelung sehr eleganten Eisenkonstruktion (entworfen von arquitectos/Heidi Pretterhofer) beginnt eine Entdeckungs- wie auch Beobachtungsreise durch die Stadt Linz; aber bereits eine großzügige Orientierungstafel im Eingangsbereich weist auf eine Assoziationsreise in viele Städte, viele Länder aller Größenordnungen hin – „Eine Stadt mit Beziehungen“.

Spätestens hier, wenn nicht schon vorher durch die Ausstellungsposter in den Straßen Wiens, fragt man sich „Was verbindet Linz mit Texas?“. Sicherlich macht auch gerade dieser Titel Lust auf die Ausstellung. Linz Texas lehnt sich an Wim Wenders’ Film Paris, Texas an, der von einer Stadt namens Paris im Bundesstaat Texas handelt. In diesem Film wird diese Stadt Paris zum mythischen Sehnsuchtsort; der Protagonist Travis hat sich ein Grundstück gekauft, von dem er nur eine Fotografie besitzt. „Der vorgestellte Ort hält für ihn das Versprechen bereit, endlich zu sich selbst zu finden,“ so Angelika Fitz in ihrer Einführung.

Auffallend ist bereits an den einführenden und ersten „Stadtbeziehungstafeln“, dass sie nicht der Stadtrepräsentation der Architekturbiennale von Venedig durch mapping folgen, wie auch Dietmar Steiner im Vorwort des ausführlichen Ausstellungskatalogs deutlich macht, sondern darauf verzichten. Es beginnt eine Bilderreise (die besonders im Katalog durch ihre collage-artige Aufmachung an Bücher von Rem Koolhaas wie z. B. Content erinnert) untermalt von „Interface“-Instrumenten wie Cookies für Perspektiven, Kopfhörern für Musik-Assoziationen und Videopräsentationen im jeweiligen Stadt-Themenkontext.

Gezeigt werden 18 „vergleichend nebeneinandergestellte“ Stadtassoziationen: Pasching (Shopping), Madrid (Bauen für den Verkehr), Davos (Landluft), Hyderabad (Technologielandschaft), Salzgitter (nationalsozialistische Musterstadt), Wolfsburg (Industrie Er-Leben), Rourkela (Bauen für die Welt), Port Camargue (Die Stadt als Garten), Galati (Wasserstraßen), Manchester (Der Stoff der industriellen Revolution), Haifa (Stadt der Arbeit), Moskau (Exzellenz), Wien (Auf in alte Häuser), Seattle (Musik machen wir selber), London (Die große Ausstellung), Kassel (Stadtmarke) und Graz (Kulturhaupstadt Europas).

Leider fällt bereits bei den ersten Schritten die sehr enge Räumlichkeit und die dichte Präsentationsaufhängung (die weder aus Holz noch Plastik sondern aus einem Stoffmaterial gefertig und doppelseitig bedruckt ist) auf, die ein assoziierendes Schlendern schwer macht und viele Blickwinkel, die wichtig für die Ausstellung sind, verstellt. Schön ist die Idee der Themen-Aufmacher, die sich in Form von Präsentationsaufhängern um ihre vertikale Achse drehen lassen.

Das Ausstellungskonzept entfaltet seine Wirkung besonders durch die Stadtassoziationen; spätestens nach zwei oder drei (von 16) „Stadtbeziehungen“ (Präsentationsgruppen) wird eine Neugier geweckt, die seine Richtigkeit beweist. Die Ausstellung bietet BesucherInnen, die Linz gut kennen, eine andere Perspektive als solchen, denen die Stadt z. B. nur durch die Ars electronica bekannt ist. Interessant ist auch, dass hierdurch städtebauliche Projekte anderer Städte, wie beispielsweise das Projekt M70 in Madrid oder die Ferienorte in Südfrankreich vielen BesucherInnen sicherlich zum ersten Mal bewusst werden.

Ein großer Bonus ist der Katalog. Neben einleitenden Texten von Dietmar Steiner, Martin Heller, Klemens Gruber und Bart Lootsma wird von der Kuratorin Angelika Fitz das Ausstellungskonzept genauer erläutert – Stichwort „vergleichende Nebeneinanderstellung“. Diese Methodik versteht Ludwig Wittgenstein als Alternative zum analytischen Vorgehen. Das Besondere sind die hier im Teil Linz Status Quo veröffentlichten kritischen Essays von Shumon Basar (London), Roemer van Toorn (Amsterdam) und Angelika Schnell (Berlin). Diese KritikerInnen wurden für das Projekt Linz Status Quo im Rahmen der Kulturhauptstadt Linz09 von Bart Lootsma und Katharina Weinberger eingeladen.

Sie wurden gebeten, „auf die Stadt Linz zu reagieren und für sie Vorschläge zu unterbreiten.“ Jeder dieser Essays liefert einen breiten Themenkomplex, der viele Problemstellungen der gegenwärtigen Stadtforschung beinhaltet wie z. B. Stadtpolitik, Kultur, Natur, Industrie, Shopping-Center, Sprawl, „schrumpfende Städte“, Megastädte, Suburbanisierung, Tourismus, Zwischenstadt, geschlossene Stadt etc. und bietet den Besucher- und LeserInnen drei interessante Stellungnahmen für Linz und Stadtentwicklung im Allgemeinen an.

Bleibt zum Schluss zu erwähnen, dass Linz Texas eine Wanderausstellung ist, deshalb auch die Wahl der mobilen Ausstellungsarchitektur. Nach Wien kommen nun Graz, Berlin und weitere Städte aus den „Stadtbeziehungen“ an die Reihe.

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Ausstellung
LINZ TEXAS Eine Stadt mit Beziehungen
Architekturzentrum Wien – Alte Halle
12. Juni 2008 bis 8. September 2008


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