Alfredo Barsuglia

Barbara Holub

Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.

Paul Rajakovics

Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.


Im Bank Austria Kunstforum läuft noch bis zum 12. Jänner im Tresor Alfredo Barsuglias Ausstellung Take on me. Beim Eintritt in den Ausstellungsraum fühlt man sich in einen fast alltäglichen Außenraum versetzt, eine städtische Hausfassade, 1:1 gebaut, ein sich dann und wann öffnendes und schließendes Garagentor, ein altes Fahrrad, ein angeschnittenes Plakat. Alles wirkt real, aber doch wie ein perfektes Filmset. Es ist Abend und man hört den Regen prasseln. Im Zentrum sieht man durch ein kleines und ein großes Fenster mit einer Glastür einen Mann und eine Frau an Elementen herumbasteln. Man kann nicht sofort erkennen, was da genau geschieht: Ist es eine Performance oder wird da nur ein Regal aufgebaut? Plötzlich taucht ein Gemälde auf, dann liegt die Protagonistin unter dem Regal, und dann startet der Loop wieder von Neuem. Die Handlungen im Video ziehen die RezipientInnen an und bleiben doch letztlich geheimnisvoll.
       Der Titel Take on me (Nimm es mit mir auf) erinnert an das gleichnamige Musikvideo von A-ha aus dem Jahre 1985, wo Realität und Fiktion zwischen animierter Zeichnung und Film, zwischen (scheinbarer) Realität und Fiktion changieren und schließlich ineinander übergehen. Dieser Zugang ist konzeptueller Ausgangspunkt vieler Arbeiten von Alfredo Barsuglia. Der Künstler nimmt sich der Realität an, überhöht sie in eine Art Hyperrealität, um sie schließlich in eine unerwartete architektonische Kontextualisierung, wie etwa den Social Pool, 2014 in der Mojave-Wüste, überzuführen. Dieser Pool wurde in Kooperation mit dem MAK Center in Los Angeles als Mini-Entspannungsoase in Form einer sich durch seine Orthogonalität markant von der Landschaft absetzenden benutzbaren Skulptur errichtet. Der Social Pool wurde bei diesem Projekt erst durch die Aneignung seine BenutzerInnen sozial.
       Besagte Kontextualisierung geschieht ganz anders, aber durchaus auch architektonisch bei Hotel Publik, welches zwischen November 2013 und Februar 2014 im Stadtzentrum von Innsbruck, das für seine rigide Politik gegenüber Obdachlosen bekannt ist, realisiert wurde. Ein kleines Häuschen, 2 x 2,5 m mitten im öffentlichen Raum, kann während der kalten Jahreszeit kostenlos als Hotelzimmer gebucht werden. Es wird jeden Tag gereinigt, mit frischer Bettwäsche ausgestattet, hat eine Heizung und einige Bücher findet man auch noch im Regal. Am Anfang des Projekts war die Benutzung noch durch ein sehr heterogenes Publikum bestimmt. Mit der Zeit (und es wurde kälter) haben sich immer mehr jener Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, um die Nächte im Hotel Publik bemüht. Das Zimmer war durchgehend ausgebucht und es kam sogar vor, dass bis zu drei Personen sich das Hotel Publik teilten. Trotzdem gab es nie Streit. Die Community kümmerte sich sogar um die Reinigung der Außenwand nach einer Graffiti-Attacke. Schließlich konnte man in einem Gästebuch seine Erfahrungen mit dem Hotel Publik niederschreiben. Auf der letzten Seite dieses Inserts können die LeserInnen eine dieser Geschichten selbst lesen.
       Der in Graz geborene Alfredo Barsuglia lebt heute in Wien. Barsuglia studierte Malerei und Grafik an der Universität für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Derzeit gibt es neben der Ausstellung im Bank Austria Kunstforum mehrere Gelegenheiten, Ausstellungen des Künstlers zu sehen: Bis zum 11. Jänner zeigt Bildraum Bodensee die performative Intervention Drawing into the void und bis zum 26. Jänner ist im Kunstraum Montafon die Ausstellung Daily Golem (gemeinsam mit Gelitin) zu sehen. Am 27. Februar wird seine kommende Ausstellung Nichts in der Tiroler Künstler*schaft eröffnet. Alfredo Barsuglia hat überdies gerade den diesjährigen Msgr. Otto Mauer Preis erhalten. dérive gratuliert ganz herzlich!


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