GEMMI


Am 1.Mai jährte sich der Todestag von Marcus Omofuma. Während AfrikanerInnen in Österreich ein Jahr nach Omofumas Tod in ständiger Angst vor der Polizei leben, gab es bis heute für die an dieser Abschiebung in den Tod beteiligten Beamten keine nennenswerten Konsequenzen. Verfahren werden verschleppt, Gutachten aus Bulgarien, die besagen, dass Omofuma an den von den Beamten gesetzten Handlungen gestorben ist, wird keine Bedeutung zugemessen; stattdessen wird in österreichischen Gutachten Omofuma für seinen Tod selbst verantwortlich gemacht, indem behauptet wird, dass seine angebliche Herzschwäche an seinem Tod Schuld gewesen sei.
Wie kommt es dazu und was ist seit dem Tod von Omofuma am 1. Mai vergangenen Jahres passiert?
Ab dem 27. Mai 1999 erhielt die rassistische Hetze in Medien und Politik mit der »Operation Spring« eine neue Dimension: Wenige Wochen nach dem Tod von Marcus Omofuma wurden über hundert Menschen dunkler Hautfarbe unter dem Verdacht auf Drogenhandel inhaftiert. Tags zuvor hatte die Wiener FPÖ ihre Inserate geschaltet, in denen sie den damaligen Minister Schlögl zum Handeln gegen die »nigerianische Drogenmafia« aufforderte. Wir wissen heute, dass die Ermittlungen gegen mutmaßliche Drogendealer dunkler Hautfarbe jedoch monatelang liefen. Es ist daher zweifelsfrei anzunehmen, dass es einen Informationsfluss zwischen Teilen der Wiener Exekutive und der FPÖ gegeben haben muss. Und wie berichtete die »Kronen Zeitung« am Tag nach der »Operation Spring«? Da wurde am Tag nach der »Operation Spring« gegen die bösen schwarzen Asylanten gewettert, die nur hierher kommen, um unsere unschuldigen weißen Kinder zu vergiften. »Wenn es stimmt, dass unter jenen in der Nacht auf gestern festgenommenen Drogendealern auch welche darunter waren, die vor dem Innenministerium mit verklebtem Mund gegen Schlögl und die ,Mörderpolizei' demonstriert haben, dann ist das Lügengebäude von den ach so unterdrückten, schützenswerten ,Asylanten' endgültig zusammengebrochen. Dass es diese politische Lüge gibt, hat man immer schon gewusst. Jetzt werden die Beweise nachgeliefert!« (Peter Gnam in der Kronenzeitung vom 28. Mai 1999, dem Tag nach der »Operation Spring«) In dem selben Kommentar wurde gleichzeitig auf die bevorstehenden Europaparlaments- und NR-Wahlen verwiesen (mit dem Hinweis, dass sich Grüne und Liberale besonders gegen den »so erfolgreichen« Lauschangriff eingesetzt hätten). So wurden im Zuge der »Operation Spring« Unschuldige, Klein- und Kleinstkriminelle, Drogenabhängige usw. bereits in den Topf geschmissen, in dem später alle Menschen dunkler Hautfarbe landen sollten - nämlich den der »nigerianischen Drogenmafia«. Wie erfolgreich diese rassistische Hetze war, lässt sich daran ermessen, dass auch einige grüne PolitikerInnen begannen, sich im Nachhinein von der Protestbewegung, die bereits vor dem Tod von Marcus Omofuma entstanden war, zu distanzieren. Als Argument wurde angeführt, sich nicht von DrogendealerInnen missbrauchen lassen zu wollen. Schließlich wurde über den toten Omofuma in der »Berichterstattung« über Drogenkriminalität berichtet. Täter und Opfer wurden verdreht. Die verstärkt geführte Debatte über den sich ausweitenden Rassismus und Übergriffe seitens der Exekutive wurden unterdrückt. Die politische Inszenierung der »Operation Spring« nahm zudem bereits die großen Themen des Nationalratswahlkampfs der Wiener FPÖ und zur Erinnerung in einigen Bereichen (Drogen - Familie / »Kinder schützen!«) auch der ÖVP vorweg. Das ist das eigentlich Bedenkliche an dieser Affäre; da hier aus Anschuldigungen, die sich im Nachhinein als haltlos herausstellen, politisches Kapital geschlagen und somit bereits der Boden für spätere Vorgänge aufbereitet wurde.
Anfang Mai 2000 verstarb ein junger Afrikaner nach fünftägiger Haft in der Jugendjustizanstalt Wien-Erdberg laut Obduktionsbericht an verschluckten Drogen. Eine Woche später starb ein Slowake in Polizeiarrest, angeblich ebenfalls an Drogenkonsum. Es stellt sich die Frage, ob in Österreich für Drogendelikte eigentlich die Todesstrafe eingeführt worden ist?
Es sei auch auf den Polizeieinsatz gegen AfrikanerInnen wenige Tage vor der NR-Wahl am 3.Oktober 1999 verwiesen, wo der Polizei angebliche Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz bereits Monate zuvor bekannt gemacht wurden. Der menschenverachtende und rassistische Einsatz der Exekutive in Traiskirchen im Jänner 2000 steht ebenfalls in dieser Reihe mehr als unverhältnismäßigen Vorgehens. Unverhältnismäßig sind der Polizeieinsatz, der Lauschangriff und auch die hohen Strafen für die afrikanischen Dealer in dem Licht, »dass der ursprüngliche schwerwiegende Vorwurf, beim Gegner handle es sich um die organisierte Kriminalität, nicht mehr erhoben wird« (Standard, 30.3.99). Dieser Vorwurf bildete jedoch überhaupt erst die nötige (Verdachts-)Grundlage für den Einsatz des großen Lauschangriffs.
Vor Gericht gilt die Unschuldsvermutung für AfrikanerInnen heute nicht mehr. »Bei Afrikanern handelt es sich nicht um Asylwerber, die sich durch ein paar Kugeln (‚Fachjargon' für im Mund aufbewahrte Kügelchen, die mit Heroin oder Kokain gefüllt sind) das Überleben sichern, sondern um Leute, die extra herkommen um Geld zu machen«, sagte ein Staatsanwalt in einem Prozess gegen einen angeblichen Drogendealer. Es scheint, dass StaatsanwältInnen und RichterInnen voreingenommen sind, zudem mangelt es in den Prozessen nicht an Vorverurteilungen und sorglosem Umgang mit etwaigen Widersprüchen in den belastenden Aussagen. Viele Urteile werden letztlich durch die Aussage von manchmal mit Sturzhelm oder Motorradmaske vermummten »anonymen« ZeugInnen gerechtfertigt. Laut Zeugenschutzprogramm dürfen an sie keine Fragen nach den näheren Umständen der Tat und nach Details gestellt werden, es darf nicht einmal überprüft werden, ob sie die Sprache der belauschten Angeklagten überhaupt beherrschen, da das ihre Identität verraten könnte. Welche rechtliche Grundlage gibt es eigentlich dafür, dass bei einigen Prozessen gegen des Drogenhandels beschuldigte AfrikanerInnen Zivilpolizisten dutzendweise in den Gängen vor dem Verhandlungssaal Posten beziehen, Ausweiskontrollen durchführen und dies mit der Anweisung verbinden, dass es nicht erwünscht sei, sich während des Prozesses Notizen zu machen? Welche rechtliche Grundlage erlaubt es RichterInnen, mitten im Prozess die Ausweise von ProzessbeobachterInnen und JournalistInnen zu verlangen; ausgerechnet dann, wenn Zeuginnen davon sprechen, dass sie bedroht worden sind?
Sollen hierdurch Gruppen, die die fragwürdige Vorgangsweise von Justiz und Polizei aufzeigen, diskreditiert und selbst zum Gegenstand von polizeilichen und gerichtlichen Untersuchungen gemacht werden? Schließlich wird schon seit 16. November 1999 Menschen, die afrikanische Gefangene besuchen wollen, keine Besuchserlaubnis mehr ausgestellt. Diese Verweigerung der Besuchserlaubnis beschränkte sich zunächst auf Menschen, die der GEMMI (Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und ImmigrantInnen) zugerechnet wurden, und wurde schließlich auch willkürlich auf JournalistInnen ausgedehnt, die versuchten, über die Situation der afrikanischen Gefangenen zu berichten.
Dies ist für die Inhaftierten umso schwerwiegender, da sie oftmals nicht über ihre Rechte aufgeklärt werden und monatelang ohne mit einem Anwalt zu sprechen in Untersuchungshaft sitzen. Gefangene müssen alle ihre Bedürfnisse und Wünsche, wie Arztbesuch, Kontakt mit dem Sozialen Dienst usw., über schriftliche Anträge regeln. Für Menschen, die nicht deutsch sprechen, steigert sich das ohnehin schon kafkaeske System ins Unerträgliche. AfrikanerInnen haben oft nur die Kleidung, die sie zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung am Körper trugen. Viele bekommen weder Geld noch Besuch, da afrikanische BesucherInnen sofort verdächtigt werden, Mitglieder der kriminellen Organisation zu sein. Geld ist nicht nur zum Kauf von Tabak, Zeitungen und Briefmarken nötig, sondern auch dazu, ein »normales« Frühstück zu essen, weil es wird nur Brot und Kaffeeersatz ausgegeben. In der Justizanstalt Josefstadt gibt es trotz der langen Untersuchungshaftzeiten und der hohen Anzahl von afrikanischen Häftlingen keine AfrikanerInnen, die als HausarbeiterInnen -- Häftlinge, die Hausarbeiten im Gefängnis machen - arbeiten. Der institutionelle Rassismus setzt sich im Verhalten mancher HausarbeiterInnen fort, die AfrikanerInnen kleinere oder gar keine Essensrationen austeilen. Aber auch in anderen Gefängnissen wird AfrikanerInnen die bescheidene Möglichkeit eines Verdienstes durch Arbeit in der Regel verwehrt.
Das Anti-Folter-Komitee des Europarats beanstandete Anfang dieses Jahres bei einem Kontrollbesuch schockiert die Verwendung von »Gitterbetten« in der Justizanstalt Josefstadt. 1999 wurden elfmal »tobende« Häflinge bis zu 48 Stunden in diese 1,20 Meter hohen Metallkäfige gesteckt. (Presse, 25.2.00) Auch BesucherInnen der GEMMI wurden wiederholt mit der Begründung abgewiesen, dass der Besuchte gerade im »Gitterbett« oder im Keller sei. Aufmüpfige Häftlinge werden für einen oder mehrere Tage im Keller in Einzelzellen ohne Einrichtungsgegenstände isoliert.
Besorgt haben die internationalen Kontrollore auch Aussagen von Häftlingen registriert, wonach das Personal sie mit Ohrfeigen, Faustschlägen, Knüppelhieben und Fußtritten behandelt habe. (Presse, 25.2.00)


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