Erik Meinharter


»Und wieder ein neuer Begriff« ist der erste Gedanke, der durch den Kopf schießt, wenn man das Buch Land. Rurbanismus – oder Leben im postruralen Raum, herausgegeben von Heidi Pretterhofer, Dieter Spath und Kai Vöckler, in die Hand nimmt. Doch trifft dieses Buch eine Lücke, die man zugegebenermaßen selbst gerne erforscht hätte. Die Annahme, dass eine Veränderung der Lebensstile zu einer Veränderung im Raum führen muss, ist nicht allzu abwegig. Hier drängt sich die Frage auf, wie ein urbaner Lebensstil in eine ländliche Raumstruktur wirkt. Darauf versucht das Buch auf verschiedensten Ebenen Antworten und Gedankenanstöße zu geben. Ein dichter Text zu Beginn versucht sich an allen Definitionen, die nur annähernd mit dem Land verbunden werden, und gibt kurze Einbli-cke in Diskurse über Landschaft, Natur, Heimatproduktion und Architektur der Sehnsucht, um schlussendlich in der (nicht neuen) Forderung nach einer neuen Raumordnung zu münden. Ein wenig drängt sich beim Studium der Texte der Eindruck auf, dass zu viele Themen in und auf das Land projiziert wurden. Ein Diskurs über den Natur- oder den Landschaftsbegriff füllt ja bereits mehr Bücher als nur die von J. B. Jackson, Gernot Böhme oder Georg Simmel. Das schadet dem Einblick, den das Buch zu geben vermag, jedoch nicht, folgt doch auf diese Begriffssammlung eine Feldforschung, die mittels Blitzlichtern auf das Land Einblicke zu geben vermag, die Assoziationen schüren können und zum nachdenken anregen.
Sehr hilfreich sind in diesem Zusammenhang die ausführlichen naturräumlichen Beschreibungen der gewählten Gebiete der Feldforschung Niederösterreich und Südoststeiermark, die von Thomas Proksch beigetragen wurden. Hier erhellen sich die naturräumlichen und topographischen Vorgaben, die gewöhnlich die Möglichkeiten einer räumlichen (R)urbanisierung des Landes einschränken oder fördern können. Es erschließt sich gleich, dass die Verstädterung des ländlichen Raumes meist eine Folge der politischen und rechtlichen Verankerung der Raumordnung und der Raumordnungspolitik ist. Alleine das südliche Wiener Becken ist, gesehen vom Ostrand der Alpen, ein sichtbares Beispiel einer wilden Mischung der Funktionen, die sich mehr an den Gemeindegrenzen als an überregionalen Organisationseinheiten orientiert. Dort zeigt sich bereits die auch im Buch stark hervorgehobene entscheidende Frage, was folgt, wenn die Landwirtschaft als den Raum strukturierende Wirtschaftstätigkeit an Bedeutung verliert. Hier ist zu sehen, dass dem Urbanisierungsprozess ein Verwaldungsprozess beigestellt ist, der die aus der landwirtschaftlichen Produktion entnommenen Flächen einer neuen Bedeutung zuführt. Dies wäre dann noch lange kein »postruraler Raum«. Von Seiten der Ökologie aus gesehen, würde diese Landschaftsstruktur sogar als Klimaxgesellschaft ganz einfach natürlich genannt werden. Jedoch ist der Diskurs über die gesellschaftliche Bedeutung des Natürlichen noch lange nicht zu Ende, denn der im Buch zitierte Gernot Böhme meint: »Umwelt ist sozial konstituierte Natur«. Und dieser Aussage folgend ist ein neuerlicher Anstoß zu einem Diskurs über das »Land« mit diesem Buch erfolgt.


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