Erik Meinharter


Nimrod Bar
Nimrod Bar

Besonders viel Aufmerksamkeit wird der Diskussion über den Klimawandel in der Öffentlichkeit zumeist dann geschenkt, wenn in der Fachwelt weitgehend unbestrittene Positionen in Frage gestellt werden. Das aktuellste Beispiel betrifft Fritz Vahrenholt, den ehemaligen Umweltsenator der Stadt Hamburg (1991 – 1997), der derzeit Vorstandsvorsitzender von RWE Innogy, einem Tochterunternehmen des deutschen Energie-versorgungskonzerns RWE, ist. Mit seinem gemeinsam mit Sebastian Lüning verfassten, jüngst erschienen Buch Die kalte Sonne sorgt er für Aufregung im deutschen Blätterwald.
Die Bild-Zeitung widmet dem Aufreger eine eigene Serie: »Die CO2-Lüge«.
Der einzige Effekt solcher Debatten ist eine verminderte Akzeptanz der Ziele des Klimaschutzes oder von Maßnahmen der Klimawandelanpassung. Ergebnisse jahrelanger seriöser Forschung und Prognosen, wie sie vom Intergovernmental Panel on Climate Change (www.ipcc.ch) errechnet werden, für die zumeist der Mittelweg des möglichen Temperaturanstiegs gewählt wird, werden dadurch aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt.
Die zentrale Frage ist jedoch, wie mit der Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Klimas und damit der Veränderung der Lebensumstände in den Städten umzugehen ist. Nicht zuletzt durch die stetig steigende Bevölkerungs-zahl der Städte haben die Auswirkungen des Klimawandels eine besondere Bedeutung für diese Siedlungsform. Gleichzeitig sind Maßnahmen des Klimaschutzes oder der Anpassung an den Klimawandel in der Stadt nur langsam umzusetzen, da ihre baulichen, infrastrukturellen und organisatorischen Strukturen sehr unflexibel sind. Es sollte nicht darum gehen, mit Katastrophenszenarien Denkprozesse anzustoßen, die dann im Falle einer langsameren Entwicklung oder des Ausbleibens der Untergangs-szenarien die durch Umdenken in Gang gekommenen Veränderungen wieder einschlafen lassen. Wichtig ist ein ruhiger, voraus denkender Umbauprozess des urbanen Lebens, welcher sich auf die zukünftigen Unsicherheiten vorbereitet, diese mitdenkt und Maßnahmen setzt, damit die städtischen Strukturen weiterhin als gemeinschaftliche Lebensumwelt funktionieren können.
Veränderungen sind am direktesten in den Freiräumen umsetzbar. Gleichzeitig geraten diese jedoch in budgetären Belangen unter Druck, wie Stephanie Drlik und Andreas Muhar in ihrem Beitrag für diesen Schwerpunkt schreiben. Dafür verantwortlich ist ein erhöhter Pflegeaufwand aufgrund trockenerer Vegetationsphasen bei gleichzeitiger Aufnahme sanfter infrastruktureller Anpassungsmaßnahmen, wie z.B. der Versickerungsleistung für benachbarte versiegelte Verkehrsflächen. Wohl wurde erkannt, dass auch auf privaten Grundstücken mit geringerer Versiegelung, Dach- oder Fassadenbegrünung Maßnahmen gesetzt werden können, die einen Beitrag zur Eindämmung der steigenden Temperaturen leisten. Doch es kann nicht nur um lokal begrenzte Räume gehen, die die gesamtstädtische Struktur erfassende Temperaturregelung muss im Auge behalten werden. Entscheidend ist hier, wie Wolfgang Gepp, Simon Tschannett und Matthias Ratheiser in ihrem Artikel schreiben, wie mit den heißen Nächten verfahren wird, da diese auf die Gesundheit der StadtbewohnerInnen den größten negativen Einfluss ausüben. In der Neuplanung von Straßen-, Park- und Platzanlagen muss auf klimatische Bedingungen wieder mehr Rücksicht genommen werden, wobei Vorbilder aus dem südeuropäischen Raum helfen können, wie Katrin Hagen in ihrem auf Beispiele aus Granada und Sevilla eingehenden Beitrag darlegt.
Es stellt sich die Frage, ob es gelingen kann, das regionale Klima für das thermische Empfinden der StadtbewohnerInnen durch derartige Maßnahmen innerhalb des derzeitigen Schwankungsbereiches zu halten: Ein Hitzetag in Nordeuropa beginnt in viel niedrigeren Temperaturbereichen für die Bevölkerung wahrnehmbar und beschreibbar zu sein als in Mittel- und dann weiter in Südeuropa. Es gibt jedoch größere Herausforderungen als die mitteleuropäische Problematik der steigenden urbanen Temperatur. Meeresnahe urbane Siedlungen oder Infrastrukturen sind Risiken ausgesetzt, die nicht mehr so leicht kalkulierbar sind.
Auch wenn Einzelereignisse, die gar nicht ursächlich mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen müssen, verheerende Auswirkungen auf gesamte Landstriche haben, wie Fukushima gezeigt hat, sollen diese Schreckens- und Katastrophenszenarien nicht dazu dienen, um Infrastrukturmaßnahmen gegen den steigenden Meeresspiegel oder häufigeren Starkregenereignissen zu legitimieren. Alleine die Kombination aus Urbanisierung und Kanalisierung lässt bereits sichtbar werden, dass alternative Strategien des Umganges mit dem Gut Wasser notwendig sein werden, um in Zukunft die gewachsenen Städte noch mit den Basisleistungen einer Agglomeration versorgen zu können. Es ist leicht einzusehen, dass ein bestehendes Kanalnetz einer Stadt nicht innerhalb kürzester Zeit für eine höhere Durchflussleistung umgebaut werden kann.
Parallel zu diesen Entwicklungen erleben bottom up-Strategien, begleitet von einer Renaissance der urbanen Gärten, eine Wiederbelebung. Waren Gärten in der Zwischenkriegszeit der Not geschuldet, ist Ihre Anlage heutzutage eine trendige Freizeitbeschäftigung. Das ändert nichts daran, dass die urbane gärtnerische Arbeit und die positive Resonanz, die sie erhält, einen Beitrag für nachhaltige Freizeitnutzung innerhalb der Stadt leistet. Hier sind lokale Initiativen Vorreiter für eine an den Klimawandel angepasste Lebensform. Im Beitrag von Nadine Kuhla wird sichtbar, wie sich private Initiativen ganz konkret zu Aktivitäten innerhalb der Stadt zusammenschließen, die sowohl einen Gemeinwesen-saspekt als auch einen Effekt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung nach sich ziehen. Die zentrale Frage ist nicht, ob Klimaschutz oder Klimawandelanpassung oder Nachhaltigkeit ein Vorrang in der Stadtentwicklung und Stadterneuerung einzuräumen ist, sondern wie die Ziele dieser Strategien verein-bart werden können, um eine zukünftig tragfähige urbane Lebensumwelt zu sichern.


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