Philipp Rode


35 Jahre Gebietsbetreuung bilden den Anlass für eine Ausstellung über die Entwicklungsgeschichte und die Arbeit der Wiener Stadterneuerung. Auf zwölf Stelltafeln, fünf thematischen „Kommunikationsmöbeln“ und einer Übersichtskarte wird ein „Portrait (der) wichtigen Schnittstelle“ in der Wiener Stadtererneuerung mittels der „vielfältigsten und mutigsten Projekte“ der Gebietsbetreuungen gezeichnet.

Tatsächlich verfolgt die Ausstellung einen projektorientierten Ansatz, in dem über mehr oder weniger direkt mit den Gebietsbetreuungen verbundene Projekte ein Entwicklungsabriss der Wiener Stadterneuerung darzustellen versucht wird. Über die historischen Meilensteine der Entwicklung der Stadterneuerung wie die Assanierung in Alt-Erdberg, das Blutgassenviertel, den Spittelberg und das „Planquadrat“ wird der Bogen bis zur Einrichtung des Modellgebiets in Ottakring gespannt, das den Beginn der Gebietsbetreuungen markiert. Dabei werden Projekte und Initiativen wie die „Arena“-Besetzung und der Supersommer 1976 erstaunlich breit dargestellt, wobei deren strukturelle Verbindung zur Stadterneuerung unklar bleibt. Die weitere Entwicklung von der Ausweisung erneuerungsbedürftiger Stadtgebiete über die wegweisende Umsetzung eines gebietsbezogenen Erneuerungsansatzes bis zur Einrichtung dauerhafter Gebietsbetreuungslokale vor Ort und die instrumentellen Rahmenbedingungen werden dagegen nur kurz erläutert. Auch die strukturell-institutionelle Einbettung der Gebietsbetreuungen wird wenig erhellend behandelt, wiewohl dies zu einem vertieften Verständnis des Schnittstellencharakters und dessen Veränderung im Laufe der Zeit beigetragen hätte. Dadurch muten die verwendeten Begriffe der „Mehrwert-Sanierungsoffensive“ oder des Gebietsmanagements seltsam inhaltsleer an und lassen den Verdacht keimen, sich hier mit Begrifflichkeiten medienaffiner Öffentlichkeitsarbeit konfrontiert zu sehen.

Dass dem nicht so sein müsste, beweisen die Inhalte der zahlreichen und vielfältigen Projektdarstellungen auf den „Kommunikationsmöbeln“ (gezählte 43 Projektdarstellungen auf fünf Möbeln!). Diese Projekte werden entlang der Themen Wirtschaft, bauliche Erneuerung, Partizipation, Freiraum und Impulse präsentiert. Im Themenfeld Freiraum ist z.B. die notwendige fachlich qualifizierte Nachbetreuung von Neugestaltungen im öffentlichen Raum ablesbar. Im Themenfeld Wirtschaft stellen die integrierten Vorgehensweisen bei den „lebendigen Einkaufsstraßen“ interessante Impulse dar, die gegenkulturelle Kunstaktivitäten ebenso einbinden wie bisheriges Konkurrenzverhalten zwischen Wirtschaftskammer und Stadt offenbar aufbrechen. Auch in den Themenfeldern Impulse, bauliche Erneuerung und Partizipation werden Projekte vorgestellt, die Stadterneuerung als inhaltliche und räumliche Querschnittsmaterie begreifen und konsequenterweise auch Versuche unternehmen, die institutionellen und administrativen Grenzziehungen zu überwinden. Diese Übersetzung bleibt allerdings den BesucherInnen überlassen, denn eine konzeptive Darstellung, was die Besonderheit beispielsweise eines Grätzel- oder Gebietsmanagements ausmacht, geht in der Fülle der Projekte etwas verloren.

Oftmals erheiternden und tieferen Einblick in die alltägliche Arbeit der Gebietsbetreuung bieten die ergänzenden Videos, die begleitend zu ausgewählten Projekten erstellt wurden. In den Filmsequenzen, Interviews und Gesprächsbeiträgen spiegelt sich die Erneuerungsresistenz der Wiener Bevölkerung ebenso wider wie der enge Rahmen, in dem das Ziel der Verbesserung der Lebensqualität in kleinen Schritten bearbeitet wird. Eine beispielhaft Interviewsequenz: Im Rahmen eines Partizipationsprojekts werden Kinder nach ihren Wünschen für einen wohnungsnahen Kinderspielplatz befragt: „(Interviewerin) Und was wünschst du dir? – (Kind) Eine Schaukel. (Pause) Und – Volleyball! – (Interviewerin) Ja, aber du weißt schon, Ballspielen ist hier verboten!“ Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass der gebietsbetreuerische Alltag geprägt ist von einer oft mühsamen Koordination zwischen politischen Interessen, beamtlichem Erfahrungswissen und heterogenen Bevölkerungsbedürfnissen. Dass sich hier etwas bewegt, wirkt wie ein kleines Wunder, das allerdings viele Ressourcen benötigt, um realisiert zu werden. Schnell scheint nur wenig zu gehen, was aber durchaus als Qualität in dieser Stadt gesehen werden kann.

Die Ausstellung bietet ein buntes Kaleidoskop über die vielfältige Arbeit der Gebietsbetreuung. In ihrer Kleinteiligkeit und Projektorientierung präsentiert sich durchaus ein Spiegelbild dieser „Schnittstelle“: engagiert, beharrlich und hoffnungsfroh. Allerdings wird – wie in detaillierter Projektarbeit – eine kritische Positionierung und Kontextualisierung verabsäumt, so dass das Wilde der Wiener Stadterneuerung nur ansatzweise greifbar wird.

--
Ausstellung
Die sanften Wilden.
Das Wiener Modell der Stadterneuerung
Kuratorinnen: Christiane Feuerstein, Angelika Fitz
Ringturm, Wien
4. November 2009 bis 8. Jänner 2010


Heft kaufen