Sonya Laimer


2006 sind in der Edition der Galerie Fotohof und dem Otto Müller Verlag zwei Bildbände über Wien erschienen. Die beiden Autoren, Paul Albert Leitner und Lászlo Lugo Lugosi, verfolgten jedoch zwei völlig unterschiedliche Ansätze, als sie Wien fotografierten. Der aus Tirol stammende Wahlwiener Paul Albert Leitner, der oft als Reisender durch die Welt bezeichnet wird, hat sich schon durch einige Städte fotografisch bewegt. Ihn interessieren nicht die bekannten Seiten einer Stadt, sein persönliches Interesse an der Fotografie ist es „unendlich viele Blicke auf die Welt zu erhalten, die Welt als Erzählung in Bildern“. Obwohl Leitner gerne bei strahlendem Sonnenschein fotografiert, entstehen keine „Postkartenansichten“, was auf seine Motivauswahl und die Irritation des Blickes zurückzuführen ist. Seit 1995 unternimmt er „Fotografische Wanderungen“ durch Wien, die Ergebnisse seiner Reisen sind in 15 subjektive, assoziative Kapitel geordnet, das vielleicht schönste ist This is not a door. (an Inspiration in Sydney): Fotografien von Türen, die nicht einladen einzutreten die vielleicht auch gar nirgends hinführen.

Quer durch die Stadt, von den Innenbezirken bis in die Peripherie, hält er in Wien: Momente einer Stadt die Stadt fest und es sind nicht nur die schönen Seiten Wiens, wie badende Menschen am Kaisermühlendamm, StraßenkünstlerInnen am Stephansplatz oder flanierende Menschen auf der Mariahilfer Straße. Leitner zeigt auch das abgefuckte Wien – Portale längst leerstehender Geschäfte, die das Aussterben von Kleinst- und Spezialbetrieben repräsentieren, Bordelle und jede Menge Grafittis. Er fotografiert Schriftzüge und Reklametafeln, die auf der ganzen Welt zu finden sind, und solche, die sofort verortet werden können: Denn wer weiß nicht, wo das Haus mit einer der absurdesten Fassaden Wiens und dem Schriftzug „Komet“ zu finden ist?

Ganz anders beschäftigt sich Lászlo Lugo Lugosi in seinem Bildband Wien - gestern und heute. Nach Budapest, Athen und Salzburg ist Wien die vierte Großstadt, die Lugosi einem „gestern und heute“-Vergleich unterzieht. 2006 fotografierte er 60 Wienansichten aus der Zeit um 1900 nach und stellt die beiden Aufnahmen im vorliegenden Bildband gegenüber. Die historischen Vorlagen zeigen hauptsächlich das repräsentative Wien, denn Lugosi wählte Motive alter Fotografien und Fotopostkarten; diese stammen aus der Sammlung Seemann, Wien, aus der Postkartensammlung des ungarischen Zempléni Muzem sowie aus seiner eigenen. Im Gegensatz zu den Bildern von Leitner macht sich beim Betrachten von Lugosis Wienbildern das Gefühl breit, dass Wien unter einem Glassturz steht. Die Bäumchen sind auf manchen Bildern zu Bäumen geworden. Hin und wieder ist neuere Architektur im Hintergrund oder nebenan zu sehen, aber bei manchen Fotos fällt auf, dass die Gebäude im Jahr 2006 neuer, wohl (denkmal)gepflegter aussehen als vor 100 Jahren – in der Zeit, als sie erbaut wurden. Die aktuellen Bilder wirken oft historischer als jene von anno dazumal. Jedes Bildpaar wird durch einen Kommentar von Alexander Pointner ergänzt. Das ergibt im Zusammenspiel einen netten Wienführer von der Innenstadt bis zu den Außenbezirken – nicht nur für Wienneulinge.


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