Firma Raumforschung
Eine Serie zu »Produktion des Raums«»Raum wird hergestellt durch spezifische soziale Prozesse. Im Gegensatz zu anderen Waren ist er aber gleichzeitig materielles Objekt und Medium, in dem andere Waren und gesellschaftliche Verhältnisse geschaffen werden. So reproduziert und modifiziert Raum permanent die gesellschaftlichen Voraussetzungen seiner eigenen Produktion.«
Henri Lefebvre, The Production of Space
Jeder Ort hat
eine bauliche Struktur
einen Kontext, der sein städtisches Umfeld
inkludiert
einen sozialen Habitus
ein gesellschaftliches Feld der Benutzung
eine Zeitökonomie
einen symbolischen Wert
Die Analyse dieser Voraussetzungen ist Grundlage der künstlerischen Intervention. Die ästhetische Produktion arbeitet mit Körpern, Texten, Situationen und Zeitorganisationen in Räumen. Sie schließt die Produzierenden (SpielerInnen, Regie, ChoreografInnen etc.) und die Koproduzierenden (BesucherInnen, BenuterInnen und ZuschauerInnen) mit ein. Im aufeinander Treffen von ästhetischen Interventionen an Orten mit BenutzerInnen und ZuschauerInnen wird Raum produziert: Soziale Prozesse werden ausgetragen, analysierbar, im besten Falle agierbar gemacht. Rhythmen, Raumvorstellungen, Nutzungskonventionen werden ausgetragen in der Produktion von Raum, die unterschiedliche Austragungsebenen prozessual verschichtet.
In welchen Architekturen, Raumkonzepten und städtischen Kontexten kann man theatral arbeiten, will man nicht die blackboxes und white cubes der Kulturindustrie als einzig möglichen Kontext akzeptieren, und umgekehrt andere Orte nicht als bloß atmosphärische Aufladungen missbrauchen? Was sind die Voraussetzungen, Kategorien, Vergleichssysteme und die prozessualen Übereinkünfte zwischen ProduzentInnen und KoproduzentInnen, und was die Differenzen ihrer Bewertung oder Besetzung im sozialen und ästhetischen Feld?
»Man antizipiert die Qualitäten der Raumwahrnehmung und des Raumgebrauchs aus einem gesammelten Wissen, bevor man sich in einen Raum begibt. Treffen diese Annahmen nicht zu, werden sie irritiert, entsteht ein Schock in der Wahrnehmung. Das heißt es gibt ein fundiertes Wissen und Annahmen, mit denen man Räume antizipiert. Innerhalb dieser gesellschaftlichen Antizipationen kann Raum ästhetisch gesetzt oder versetzt werden. Die kollektiven Antizipationen sind die Grundlagen der Raumwahrnehmung und Raumkonstitution und informieren das aktive Gestaltungsspektrum mit/im Raum. Wann greift Raum in die Bedingung seiner Produktion ein?«
Claudia Bosse, Notizen zur Raumgrammatik
Aus diesen Fragen begann die firma raumforschung mit Recherchen und Analysen der komplexen Elemente aus der theatralen Praxis an Orten wie dem Schlachthof St. Marx in Wien mit seinen 20.000 qm, an sieben Orten im Mühlviertel auf öffentlichen Plätzen und einem Bus als mobilem Ort, der die 93 km Spannweite der Orte verband, einem 600-m-Areal entlang des Rheinufers in Düsseldorf, einem Schwimmstadion aus den siebziger Jahren, nun außer Betrieb, in Podgorica (Montenegro) oder einem Rohbau vom Architekturbüro bkk-3 mit sieben Etagen, parallel zu den Bauarbeiten am Lerchenfelder Gürtel in Wien.
Die Fragen waren auch durch die Lektüre von Martina Löws 2001 erschienenem Buch »Raumsoziologie« und ihrem Begriffsangebot, die Produktion des Raums als parallelen Prozess von »spacing« und »Synthese« zu analysieren, motiviert:
»Während Syntheseleistung die Wahrnehmungs-, Vorstellungs- oder Erinnerungsprozesse erfasst, durch die Güter und Menschen zu Räumen zusammengefasst werden, benennt spacing das Platzieren von sozialen Gütern und Menschen in Relation zu anderen Gütern und Menschen (...). Spacing und Syntheseleistung der Menschen geschieht häufig gleichzeitig bzw. in direkter Abfolge (...).«
Martina Löw, »Raumsoziologie«
Die Montagsveranstaltungsserie der firma raumforschung, die Anfang September begann und zunächst bis zum 20 .12. dauerte, will diese Recherche öffentlich betreiben, indem die unterschiedlichen Felder Architektur, Kunst, Soziologie, Kunstgeschichte, Theater- und Tanztheorie einen Diskursort teilen und einen Kommunikationsort schaffen, um als Serie Material zu sammeln, abzuwägen und die Begriffe und Diskursdifferenzen der einzelnen Arbeitsfelder zu konfrontieren.
Im Gassenlokal Zieglergasse 40, 1070 Wien gibt es ein Archiv mit Texten zu den jeweiligen Recherchen, das den BesucherInnen zur Verfügung steht.
Das Konzept der Serie ist es, neben einem kontinuierlichen kommunikativen Einsatz in Wien – einer Stadt, die sehr feldspezifisch organisiert ist –, die Aspekte, die bei der Produktion von Raum parallel ablaufen – bewusst oder einfach vorausgesetzt – auseinander zu dividieren, um sie als einzelne zu betrachten, historisch zu befragen und sie dann wieder zusammenzusetzen als gleichwertige Einsätze, die bei der Produktion von Raum ineinander greifend bearbeitet werden.
Alle Beiträge aus der Serie sind auf unserer Website als Module dokumentiert.
Die Kontinuität der Veranstaltungsserie über vier Monate ermöglicht eine serielle Fortschreibung des Raumbegriffs – mitsamt seinen jeweiligen Umbedeutungen, mit all ihren Brüchen und Begriffswechseln. Der bisherige Verlauf ist vielleicht folgendermaßen zu skizzieren:
1. Teil - 6. 9. 2004 Irina Kaldrack: Vortrag »Rekonstruktionen historischer Interferenzen von Theater und optischen Medien« Mit der Einführung der Zentralperspektive in der Renaissance ändert sich der Einsatz auf der Ebene der visuellen Raumproduktion erheblich. »Die barocke Kulissenbühne lässt sich als eine Sichtanlage auffassen, die entlang des zeitgenössischen Augenmodells, sprich der Entdeckung des Netzhautbildes durch Kepler, konzipiert ist. Diese Sichtanlage, die Ende des 17. Jahrhunderts von Andrea Pozzo beschrieben wird, erscheint vor dem Hintergrund von Descartes’ Erkenntnistheorie als ein Apparat der descartesschen Methode: Eine Organisation von Produktion und Rezeption, die auf einen Betrachter zielt, der strukturell dem descartesschen Erkenntnissinn entspricht.« (I. K.) Ein mathematisches Grundmuster als Abstraktionselement lässt Objekte in Relationen zueinander abbildbar machen. Die Relation der Objekte ist ausschließlich über ihre Distanzen zueinander bestimmt, wie über ihre Distanz und Anordnung zum idealen Betrachterpunkt. Dieser perspektivische Blick wird seither erlernt (und die Barockbühne ist »Schule« dieses Sehens); eine topologische Wahrnehmung von Einzelobjekten wird mit der westlichen Erziehung in der Folge verlernt. Diese Privilegierung des Blicks beeinflusst die Wahrnehmung ist Parameter theatralen und sozialen Agierens.
2. Teil - 13. 9. 2004 Gerald Raunig / Stefan Nowotny »Philosophien, Politiken und Bilder zur Verteilung im Raum I« Die Unterscheidung von »Verteilung des Raums« und »Verteilung im Raum« ist die einer Politik von Organisationsstrukturen, innerhalb eines Raumbegriffs, der davon ausgeht, dass jeder Raum aufgeladen ist. Entgegen der dualistischen Gegenüberstellung eines »absoluten« und eines »relationalen« Raumbegriffs in Fortschreibung einer seit Leibniz eingeführten multiperspektivischen Raumauffassung als eines »gefüllten«, von Linien und Kräften aufgespannten Feldes wird Raum von einer rein erkenntnistheoretischen Kategorie zum Medium machtförmiger und kollektiver Vollzüge, gesellschaftstheoretischen Modell und Terrain für politisches Handeln. So ist möglich, z. B. durch widerständige Organisationsvorgänge Orte temporär zu beanspruchen, als Transformation einer vorgesehenen Raumpraktik, als Bedingung für Aushandlungsprozesse, die eines Orts bedürfen, um durch widerständige Repräsentationspraktiken Austragungen im öffentlichen Raum stattfinden zu lassen. Austragungsprozesse bedürfen eines Raumausschnitts, der begrenzt ist, um die Raumproduktion bearbeitbar zu machen für soziale Kreativität, als Inanspruchnahme von Verteilung im und des Raumes.
3. Teil - 20. 9. 2004
Gespräch mit theNEXTenterprise: Marie-Thérèse Harnoncourt, Ernst Fuchs + LIQUIFER: B. Imhof »Räume in der Architektur«
Architektur ist geprägt von funktionalen Zuschreibungen, und nur so erhält Architektur ein Verwirklichungspotenzial. Aufgabe einer anderen Architektur soll das ästhetische Bestimmen eines mit Intensitäten aufgeladenen Raumes sein, der seine gesellschaftliche Funktion erst im Verlauf seiner über Handlungen bestimmten Nutzungen erfindet.
Im Weltall ist der Körper ohne Schwerkraft, eine perspektivische Organisation des Raumes ist unmöglich, der Raumbezug zu einem zu schaffenden Raum ist ein haptischer: angreifen als Orientierung eines durch Schwerelosigkeit entgrenzten Körpers. In diesem hochkapitalisierten, -technisierten und kulturell globalisierten Arbeitsumfeld entstehen Modelle für ein neues Entwerfen von Architektur, jenseits eines rein funktionellen Designs.
Andere Strategien sind die Intervention in die Praxis der Verwertbarkeit und vordefinierter Funktionalität, durch die Gestaltung von Räumen »ohne Funktion«, die medial und haptisch mit »Geschichte« aufgeladen und dann von den BenutzerInnen benutzt, verändert und verworfen werden können. – Architektur als eine ästhetische Strukturierung von Volumen, die einen Raum eröffnet ohne soziale Stigmatisierung, eine bestimmte Form gegenüber zu bestimmenden Nutzungen und Ergreifungsbegehren.
4. Teil - 27. 9. 2004
Büro für kognitiven Urbanismus: »Wallpaper – Bilder des Wohnens«. Vortrag Sonia Leimer »Wohnen heißt Leben in Bildern«
Das Versprechen von Räumen, z. B. in Prospekten von Fertighäusern, schafft Räume durch Sprache, die in der Realisierung nicht wiederfindbar sind. Der Raum wird über sprachliche Bilder erfunden und besetzt, die Begehren konzentrieren. Räume werden geschaffen durch Versprechen in Sprache und Bild. Sprache schafft Raum – auch das Territorium – durch Bilder.»Wird Territorialität primär über eine Sprachpolitik hergestellt, die im alltäglichen und hegemonialen Sprachgebrauch Raumtypologien mit den impliziten Ein- und Ausschlussmechanismen adressiert, so wird zugleich eine Imagepolitik in Szene gesetzt, die sich in der Berufung auf die Bildhaftigkeit des räumlichen Ambientes einer Aura der bloß vermittelten Realität versichert. Was wahrnehmbar wird, gibt sich als bloße Erscheinung zu erkennen. Die Anwesenheit im räumlichen Ambiente wird zu einer Frage der Imagination und Repräsentation.« C. Teckert / A. Spiegl
5. Teil musste abgesagt werden
6. Teil - 11. 10. 2004
Gerald Raunig / Stefan Nowotny: »Philosophien, Politiken und Bilder zur Verteilung im Raum II«: zur Situationistischen International
Die Situation im Sinne der Situationistischen Internationale versucht städtische Funktionszusammenhänge zu unterbrechen zu Gunsten einer deterritorialen Ordnung und Wunschproduktion. Das Schweifen in den Außenbezirken der urbanen Gefüge wird eingeführt als situationistische Praxis, als ein Beispiel spontaneistischen Agierens, ein Agieren, das sich den kapitalistischen Organisations- und Verwertungsstrategien widersetzt. Es bleibt die These von der Suche nach »konkreten Konstruktionen kurzfristiger Lebensumgebungen und ihrer Umgestaltung in eine höhere Form der Leidenschaft«
In welcher Weise korrelieren Formen politischer oder massenhafter Organisation mit der Frage des Raums? Ist der Begriff der Situation im Sinne einer »Setzung« jeweils an einen bestimmten Ort gebunden, und wie lassen sich solche lokalisierten, verräumlichten Anwesenheiten oder Strukturen prozesshaft, verschiebbar und verschiebend verstehen und formieren – im Sinne einer »Entsetzung« (mit Walter Benjamin)? Oder sind räumliche Bezüge lediglich Metaphern für Formen der Organisation?
7. Teil - 18. 10. 04
J. Kleedorfer / MA 18, Johann Hödl / Wiener Linien, Günther Lackenbucher / Büro des Kulturstadtrats, Florian Haydn / Architekt: Gespräch, moderiert von Claudia Bosse »Leerräume, Baulücken, städtische Perspektiven«
Der nicht ökonomisch ausgerichtete Zugriff auf nicht genutzte Flächen oder temporär freistehende Bauten und Areale in Wien wird erschwert durch Wertschöpfungsstrategien der Besitzer (z. B. wird jeder innerstädtische Abrissgrund umgehend in die Nutzung ein und desselben Parkplatzbetreibers überstellt) oder die Angst der Besitzer vor ökonomischen und anderen Komplikationen. Die Alternative sind nicht zentrale Verwaltung oder administrative Vermittlung, sondern Akte der Raumermächtigung, der Inanspruchnahme durch nichtinstitutionell organisierte Einheiten mit konkreten Begehren. Gewisse räumliche Potenziale bleiben andererseits ungenutzt, wie z. B. die Leerräume der Wiener Linien, da die Rechtsgrundlagen durch die Raumbeschaffenheiten nicht erfüllt werden. Maßnahmen und städtische, auch finanzielle, Investitionen wären erforderlich, um auf gewisse Areale öffentliche Zugriffsmöglichkeiten zu erhalten. Das zur Verfügung Stellen von Orten kommt an die Grenzen juristischer Auflagen von Feuerpolizei bis zu versicherungstechnischen Fragen. So bleiben städtische Potenziale ungenutzt, weil die Rechtsgrundlagen ungenügend sind und es erheblicher Investitionen und Vermittlungsarbeit bedürfen würde.
Die Frage bleibt, inwieweit Kultur nicht städteplanerisch zur »Aufwertung« bestimmter Problemzonen instrumentalisiert wird und Kunst jenseits ihrer zugewiesenen Orte in der Diskussion um finanzielle Mittel nur in dieser Funktion legitimiert werden kann.
8. Teil - 25. 10. 2004
Büro für kognitiven Urbanismus: »Wallpaper – Bilder des Wohnens« Vortrag + Filmanalyse Christian Teckert und Andreas Spiegl
Hat die »Physik der Orte« noch eine Relevanz? Geht es um die Entkopplung von Ort/Präsenz, mithin auch von Architektur und Kommunikation? »Als Orte einer gegenwärtigen Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Bildproduktion im räumlichen Erscheinen sind speziell ostasiatische Städte signifikant, weil dort die filmische Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum als Symptom einer 2. Moderne (Van Toorn) und mit den Bild- und Blickkulturen des urbanen Gefüges am weitesten vorangetrieben wird. Entscheidend dabei ist die Herausbildung eines spezifischen panoramatischen Blicks der gegenwärtigen Alltäglichkeit einer 2. Moderne. Dabei liegt das Panoramatische hier weniger in der tableauartigen Repräsentation eines anderen Ortes als vielmehr im Nebeneinander unterschiedlicher Räume und Zeiten durch die diver
sen medialen Apparaturen.(...) Das Filmbild ist ein Instrument zur Untersuchung und Verhandlung der zeitgenössischen Lokalisierung des Subjekts. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten des zeitgenössischen Films zeigt sich speziell im asiatischen Kino immer wieder ein deutliches Begehren nach der Auseinandersetzung mit Alltagspraktiken, die ein allgemeines Verständnis von Raum und Zeit grundlegend infrage stellen.«
Christian Teckert / Andreas Spiegl
9. Teil - 1. 11. 2004
Daniel Aschwanden + Philipp Gehmacher im Gespräch mit theatercombinat: »Räume in der Performance«
Die Raumvorstellungen im zeitgenössischen Tanz konzentrieren sich auf die Wahrnehmungsanalyse. Das Schaffen oder Wahrnehmen von Räumen über Repräsentation innerhalb gewisser »Verträge« von Kunsträumen versetzt die Produktion des Raumes in die Kommunikation von ProduzentInnen und RezipientInnen – dadurch verlagert sich die Raumproduktion auf die Abstimmung des Synthesevorgangs. Die vorgestellten ästhetischen Praktiken befassen sich weniger mit den Bedingungen konkreter Orte als dass sie innerhalb des Vertrages eines symbolischen Kunstraumes arbeiten.
10. Teil - 8. 11. 2004
Gerald Raunig / Stefan Nowotny: »Philosophien, Politiken und Bilder zur Verteilung im Raum III«: Zur Pariser Commune
»Die Muster von hierarchisch-molarer Aufteilung des Raums und transversal-nomadischer Verteilung im Raum korrelieren mit unterschiedlichen Formen von sozialer Organisation. Auch Revolutionen funktionieren nach diesen Prinzipien. Während die zunehmende Segmentierung und Strukturalisierung des revolutionären Prozesses in den großen französischen und russischen Revolutionen der Logik der Aufteilung des Raums folgt, sind die Revolten der Pariser Commune 1871 und des Pariser Mai 1968 historische Modelle für die Verteilung im Raum. (...) Allgemeiner gesagt geht es in solchen molekularen Revolten um die Entwicklung von orgischen Staatsapparaten, also Staatsapparaten, die das Prinzip der Repräsentation ausdehnen und durchbrechen und damit zugleich zu einer offenen Organisierung von revolutionären Maschinen beitragen.«
Gerald Raunig / Stefan Nowotny
11. Teil - 15. 11. 2004
Felicitas Thun: Vortrag »Raumkrise und Raumobsession – Vom karthographischen Blick zum synchronistischen Erfahren«
Durch die Beschleunigung und Geschwindigkeit des Datentransfers und die Ausbreitung des Menschen bis in das Weltall definiert sich Raum zunehmend über Medialität. Der virtuelle Raum lässt Projektionen eines unendlichen Informationsraumes zu, der jedoch in seinen Strukturen meist zweidimensional organisiert ist. »Bewegung ist Raum. Und diese andere Qualität der Bewegung, diese gewaltige Expansion der Raumvorstellung nach außen, aber auch nach innen ist ein neuer fundamentaler Parameter, den Paul Virilio als »exozentriert« beschreibt. Als Folge davon beobachtet Virilio eine »egozentrische« Regression, die, wie er meint, bereits eingesetzt hat und zu einer Rückkehr kleiner Kommunen wie beispielsweise »Stadtstaaten« führen wird. In der Kunst hätte dieser Prozess mit der Rückkehr zum Körper, zur Performanz und damit zum Raum bereits begonnen. Es muss der Kunst heute insofern eine regulative Funktion zugesprochen werden, als sie der schnellen Perzeption des Blickes andere, die Geschwindigkeit verlangsamende umfassendere Wahrnehmungsmöglichkeiten aufmacht. Sie hinterfragt die Visualität und ergänzt den dabei entstehenden diversifizierten Wahrnehmungsraum um Angebote alternativer Perzeptionsmöglichkeiten. (F. T.) – Kunst als Umgestaltung der Wirklichkeit, Wirklichkeit als eine bestimmte Organisation des Raums.
12. Teil - 25. 10. 2004
Büro für kognitiven Urbanismus: »Wallpaper – Bilder des Wohnens«. Vortrag Christian Mayer »Imaginäre Reisen«
Die Erfindung des Panoptikums entwirft den raumumspannenden Bildeindruck, ein Reisen über Bilder in andere Welten, ohne einen Ort zu verlassen, als Symbole eines anderen, oft kulturell fremden Raumes. Das Bild als Verweis eines anderen Raums wird im 19. Jahrhundert zur Figur einer exotistischen Repräsentation samt ihrer imperialistischen Implikationen. Ein Interesse aus heutiger Sicht ist, den vorhandenen Bildern keine weiteren hinzuzufügen, sondern durch das Auslassen der Bildstelle und das Hinzufügen von Sprache, z. B. im Mittel der Audio-Deskription, auf die Strategien subjektimmanenter Konstruktion von Bild- und Raumwelten zu verweisen.
Die Serie wurde nach Redaktionsschluss bis 20.12. im Atelier der firma raumforschung, Zieglergasse 40, 1070 Wien, jeweils montags um 21.00 Uhr fortgesetzt:
13. Teil - 29. 11. 2004
Martina Löw: Vortrag zu »Raumsoziologie«**
14. Teil - 6. 12. 2004
Elke Krasny, Peter Rantasa und Volxtheaterkarawane: Gespräch zu »Raumpraktiken: Kunst und öffentlicher Raum«**
15. Teil - 13. 12. 2004
Gerald Raunig + Stefan Nowotny: »Philosophien, Politiken und Bilder zur Verteilung im Raum IV« Zum European Mayday**
16. Teil - 20. 12. 2004
Büro für kognitiven Urbanismus: Vortrag von Irene Nierhaus**
Christine Standfest
Claudia Bosse