Volker Eick


Private oder besser: kommerzielle Sicherheitsdienste[1] sind in Deutschland (und darüber hinaus) kein neues Phänomen. Schon 1901 wurde, angeregt durch angloamerikanische Vorbilder, der erste Wach- und Sicherheitsdienst in Hannover gegründet. In den vergangenen rund 20 Jahren hat die Branche jedoch an Bedeutung gewonnen – sowohl mit Blick auf das quantitative und qualitative Wachstum wie auch hinsichtlich ihrer zunehmenden Akzeptanz bei den Strafverfolgungsbehörden. Diese Entwicklungen haben mit dazu beigetragen, dass kommerzielle Sicherheitsdienste heute auch an der (Re)Definition dessen beteiligt sind, was als ein sozialpolitisches und was als ein sicherheitspolitisches Problem zu diskutieren sei. Da die Tätigkeit im öffentlichen Raum ein bedeutendes Geschäftsfeld geworden ist, der zunehmend als vermarktbare Ware betrachtet wird, hat das auch Einfluss auf Zugangs- und Verweilrechte für so genannte Randgruppen. Im Folgenden werden zunächst das quantitative und qualitative Wachstum der Branche skizziert und sodann einige Beispiele aus dem neoliberalisierten[2] Unternehmen Stadt angeführt, zu dessen FilialleiterInnen nunmehr auch das kommerzielle Sicherheitsgewerbe gehört.

Das exorbitante Wachstum der Unternehmen (und MitarbeiterInnen) der Sicherheitsbranche in den vergangenen Jahren hat diverse SozialwissenschaftlerInnen veranlasst, von einer (Re)Feudalisierung der Kriminalpolitik zu sprechen (Murck 1996; vgl. Kobrin 1997): Erstens, weil staatliche Sicherheitsagenturen wie die gute alte Polizey aus privaten Agenturen entstanden sind (Knöbl 1998), deren Aufgaben nun aber auf private AkteurInnen zurücktransferiert werden (vgl. für Nordamerika Shearing 1997; Rigakos 2002). Zweitens ist mit diesem Begriff eine (Re)Orientierung an Zugangsrechten in den öffentlichen Raum und eine Partikularisierung von Normen und Wertvorstellungen angesprochen, die auf ständischen Vorstellungen neofeudaler Prägung zu basieren scheinen.

Die Branche des Sicherheitsgewerbes darf als weitgehend unreguliert gelten und entsprechend sind auch die jeweiligen Statistiken mit Vorsicht zu genießen.[3] So ist häufig unklar, inwieweit nicht-sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, Detekteien und Werkschutz sowie prekäre Beschäftigungsverhältnisse Berücksichtigung finden; zudem gibt es konjunkturelle Boomphasen wie etwa die Einführung des Euro oder Großereignisse wie die Fußball-WM 2006TM in Deutschland und die Fußball-EM 2008TM in Österreich und in der Schweiz (Eick 2006b).

Zutreffend scheint aber, dass die Zahl der Beschäftigten im deutschen Sicherheitsgewerbe – anders als etwa in den USA, Polen oder Großbritannien – unter jener der Polizeikräfte (ca. 265.000) liegt. Der Markt des kommerziellen Sicherheitsgewerbes ist dabei oligopolistisch organisiert: Die zehn größten Unternehmen halten einen Umsatzanteil von rund 50 Prozent; anders formuliert: Zwölf Prozent der bundesweit inzwischen 3.000 gemeldeten Unternehmen teilen 81 Prozent des Umsatzes unter sich auf und beschäftigen zwei Drittel aller (registrierten) Mitarbeiter. Zu berücksichtigen sind weiter Konzentrationsprozesse: Der Weltmarktführer der Branche, die Group4Security, hat seinen Sitz in London, der Branchenzweite, die Securitas AB, in Stockholm. Richtig (und wichtig) ist weiter, dass es sich um einen klassischen Niedriglohnsektor handelt,[4] selbst wenn – was keinesfalls in allen Bundesländern der Fall ist – Tarifvereinbarungen existieren. Um wenigstens einen Einblick davon zu geben, sollen hier kursorisch einige (Tarif)Stundenlöhne genannt werden (alle Angaben brutto/Stunde, 2004): 4,73 Euro (Bereich Separatbewachung), 4,60 Euro (Veranstaltungsdienste), 5,33 Euro (Geld- und Werttransport). Das mag an Angaben zu Anzahl, Mitarbeiterinnen und Umfang soweit genügen (Eick 2006c).

Eingrenzung und Ausschließung

Aus den Nachtwächtern des 16. und 17. Jahrhunderts und dem Werkschutz der fordistischen Großbetriebe des 20. Jahrhunderts ist mittlerweile eine Branche herangewachsen, die ein ausdifferenziertes Aufgabenspektrum (auch vormals staatlicher Aufgabenfelder) abdeckt.[5] In den langen 1990er Jahren – zwischen Mauerfall und 9/11 – sind vor allem zwei Bereiche zu Wachstumsmärkten für das kommerzielle Sicherheitsgewerbe avanciert: Zum einen das, was als „Randgruppen-Management“ innerhalb von Institutionen (Gefängnisse, Anstalten, etc.) bezeichnet (und hier nicht diskutiert) werden kann, zum anderen Aufgabenfelder, die im öffentlichen Raum angesiedelt sind – und damit in der klassischen Domäne staatlicher bzw. kommunaler Sicherheits- und Ordnungspolitik.

Die profitgetriebene Suche nach neuen Aufgabenfeldern ist mit dem permanenten Bestreben verbunden, bisher bestehende Grenzen der Aufgabenwahrnehmung, wie sie etwa hoheitliche Regelungen darstellen, zu überwinden. Ein paar Sätze scheinen zu diesen Grenzen daher angebracht. Bisher bedarf es faktisch keiner besonderen Qualifikation, um im Sicherheitsgewerbe tätig zu sein. Auch gibt es kein Gesetz, das Einsatzfelder festlegt oder begrenzt,[6] so dass lediglich die Übernahme hoheitlicher Aufgaben nicht bzw. nur unter der Bedingung der so genannten Beleihung erlaubt ist.[7]

Die Privatisierung öffentlicher Infrastruktur, zuallererst des sozialen Wohnungsbaus (Holm 2006; vgl. Eick/Sambale 2005), das Outsourcing vormals staatlicher Aufgaben[8] sowie schließlich die anhaltende Umwidmung öffentlichen Raums in Ware sind Ausdruck eines intensivierten roll-back neo-liberalism (Brenner/Theodore 2002).[9] Diese Prozesse erschließen neue Betätigungsfelder für die Dienstleistungsperipherie im Unternehmen Stadt, in Sonderheit für das Sicherheitsgewerbe. Derzeit wird angenommen, dass zwischen sieben und 13 Prozent aller Beschäftigten der Branche im öffentlichen Raum tätig sind (vgl. Olschok 2004: 20). Dem Sicherheitsgewerbe ist es – wie seinen öffentlichen (60 Prozent) und privaten (40 Prozent) AuftraggeberInnen – dabei stets darum zu tun, die je eigenen Interessen einerseits als Allgemeininteresse zu verkaufen und sie andererseits unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit möglichst effizient und effektiv, d.h. ohne demokratische Zumutungen, umzusetzen. Zwar sind auch hier ihre Befugnisse staatlich eingehegt, so dass ihnen keine anderen Rechte zustehen als allen BürgerInnen, Recht(durch)setzung und Alltagspraxis stellen jedoch regelmäßig ein verunsicherndes, manchmal ein umkämpftes Terrain dar.

Schließlich sind hier Flächen in Privatbesitz zu nennen, die sich jedoch im Gemeingebrauch befinden (so genannte halböffentliche/hybride Räume oder mass private property: Bahnhöfe, Flughäfen, Sportstadien, Shopping Malls), in denen Nutzungskonflikte ausgetragen, Ausgrenzungen manifest oder zu territorialen Kompromissen kleingearbeitet werden.

Es liegen nur wenige systematische Vergleiche bzw. empirische Arbeiten für die Bundesrepublik vor (vgl. Beste 2000; Kirsch 2003) und das Alltagsgeschäft der Sicherheitsdienste entzieht sich häufig einer (wissenschaftlichen) Beobachtung und Kontrolle – nicht zuletzt fehlt es den Hauptbetroffenen ebenso systematisch an einer Lobby.

Öffentlicher Verkehr

Die Deutsche Bahn AG mit ihrem 3-S-Konzept (Service, Sicherheit, Sauberkeit) ist dafür ein beredtes Beispiel, hat sie doch seit ihrer Privatisierung 1992 einen eigenen Sicherheitsdienst installiert, der, unterstützt von der Bundespolizei, gegen Obdachlose, TrinkerInnen, Trebekids, (Migranten-)- Jugendliche und DrogenkonsumentInnen vorgeht. Allein auf den Berliner Fern- und S-Bahnhöfen kommt es so zu jährlich mehreren tausend Platzverweisen, Hausverboten und selbst Haftstrafen wegen unerwünschten Aufenthalts (zusammenfassend Ronneberger et al. 1999: 94-104). Bisher war es vor allem die Bahn, die ihr Ausgrenzungskonzept explizit vermarktet hat: „Das 3-S-System ist im ersten Schritt ein System zu Qualitätsverbesserungen in den Bahnhöfen und ein System zur repressiven Verfolgung und Durchsetzung unserer Interessen. Im zweiten Schritt wird das 3-S-System die Evolution von Bahnhöfen (einschließlich Umfeld) zu kundenorientierten Servicecentern bewirken, vom repressiven zum präventiven System“, so der 3-S-Verantwortliche (Spörl 1998). Weiter ist das outgesourcte Sicherheitspersonal des öffentlichen Personennahverkehrs angehalten, ebenfalls gegen solche Randgruppen und darüber hinaus, animiert durch Kopfgelder, gegen SchwarzfahrerInnen vorzugehen (Brunst 2004). Entsprechend ist insbesondere in den 1990er Jahren eine Vielzahl von Körperverletzungen dokumentiert, zugleich verdeutlicht aber jeder durchschnittliche Wochentag auf einem Berliner, Hamburger oder Leipziger Hauptbahnhof, dass die hier anvisierten kleinräumigen Rechts- und Ordnungsvorstellungen nicht durchgesetzt sind, sondern beständig (und repressiv) wieder bestätigt werden müssen.

Innenstädte

Der deutsche Einzelhandel betreibt nach Angaben seines Verbandes HDE rund 80 so genannte City-Streifen in innerstädtischen Arealen (Innenministerium Nordrhein-Westfalen/HDE 1999: 59). Die diversen zu Interessensgemeinschaften zusammengeschlossenen EinzelhändlerInnen beschäftigen zudem weitere kommerzielle Sicherheitsdienste in ihren Fußgängerzonen und Shopping Malls, um diese von oben genannten Gruppen sauber zu halten. Während dies im öffentlichen Raum regelmäßig zu Auseinandersetzungen führt, entscheidet in den privaten Räumen das kommerzielle Sicherheitsgewerbe weitgehend unwidersprochen über den Zugang. Darüber hinaus werden bundesweit gegenwärtig gesetzliche Grundlagen für die Installation so genannter Business Improvement Districts geschaffen, die es den beteiligten HauseigentümerInnen erlauben, zusätzlich zu den staatlichen oder kommunalen Institutionen eigene sauberkeits-, ordnungs- und sicherheitspolitische Strategien zu entwickeln und umzusetzen (Hoyt 2004).[10]

Eine Systematisierung des Auftretens von Sicherheitsdiensten, etwa entlang der parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse in den Städten, ist jeweils nur im Einzelfall möglich, denn es entscheiden jeweils deren AuftraggeberInnen, ob sie ein seriöses Auftreten (ÖPNV in Frankfurt/M.), eine Rambo-Truppe (Münchner U-Bahn; Bahnhof Frankfurt/M.) oder eine eher touristische Attraktion (Potsdamer Platz, Berlin) der Dienste bevorzugen – und finanzieren wollen. In Berlin, um die Problematik zu verdeutlichen, kooperieren Polizei und private Sicherheitsdienste auf Landesebene mittlerweile selbst bei der Fahndung; gleichzeitig konkurrieren sie auf der lokalen Ebene mit ihnen um den Status als die bessere Straßenreinigung gegen Randgruppen und agieren so auf Zuruf des Einzelhandels (Eick 1995; Kirsch 2003: 97-103). Auf Landes- und kommunaler Ebene gibt es angesichts vermeintlich leerer Kassen nahezu Begeisterung für solcherart Zusammenarbeit.

(Öffentlicher) Wohnbau

Darüber hinaus müssen mittlerweile auch Wohnquartiere in den Blick genommen werden. Hier entstehen neue Sicherheitskonfigurationen auf der lokalen Ebene etwa durch Programme wie die Soziale Stadt,[11] in die auch die BewohnerInnen selbst integriert werden sollen. Gelingt die Aktivierung der lokalen Bevölkerung nicht, werden kommerzielle Sicherheitsdienste beauftragt (DifU 2003; Eick 2005). Vor allem aber in den häufig am Stadtrand liegenden Großsiedlungen und ehemaligen Sozialwohnungsbauquartieren feiert nicht nur die Kommerzialisierung der Wohnungsbestände sondern auch von Sicherheit fröhliche Urständ (Eick/Sambale 2005). Bundesweit hat sich der Bestand der kommunalen Wohnungsbestände seit Mitte der 1990er Jahre von 3,2 Mio Wohnungen auf etwa 2,2 Mio Wohnungen im Jahr 2000 reduziert. Ein wachsender Anteil der Privatisierungen erfolgt an institutionelle AnlegerInnen, die meist als offene Immobilenfonds auftreten und im Kontext einer internationalen Finanzökonomie agieren. Allein im Zeitraum zwischen 1998 und 2005 wurden fast 500.000 Wohnungen aus vormals öffentlichen Beständen an institutionelle AnlegerInnen veräußert. Der Verkauf von über 200.000 weiteren Wohnungen befindet sich aktuell in der Diskussion (Holm 2006). Diese Wohnungsverkäufe gehen häufig mit dem Verkauf von Spielplätzen, Fußgängerzonen, öffentlichen Plätzen und Parks einher; Einzäunung, Videoüberwachung und Beauftragung kommerzieller Sicherheitsdienste inklusive. Bereits vor drei Jahren berichtete Benno Kirsch (2003: 38ff) von kommerziellen Sicherheitsdiensten, die in einer Berliner Großsiedlung wiederholt gewalttätig gegen Russlanddeutsche vorgingen, ohne dass die Polizei intervenierte; Lorscheid/Röpke (2003) wiesen Verknüpfungen mit der Neonazi-Szene vor allem in den ostdeutschen Bundesländern nach. In Berlin hat ein privater Sicherheitsdienst mittlerweile die vollständige Kontrolle von 23.000 Wohneinheiten in den Großsiedlungen des Bezirks Marzahn übernommen, der durch sein brutales Vorgehen gegen die Kinder so genannter „Problemmieter“ bekannt geworden ist (Eick 2004; Buntrock 2005).

Konklusion

In allen genannten Fällen handelt es sich um die Durchsetzung von partikularen Norm-, Profit- bzw. Sauberkeits-, Ordnungs- und Sicherheitsvorstellungen, die auf einen Strukturwandel der Öffentlichkeit zu Lasten der für den Verwertungszusammenhang Überflüssigen hinauslaufen.

Man mag mit den Leistungen und der Kontrolle staatlicher Polizei nicht zufrieden sein (und befindet sich dann ausweislich aller Umfragen im deutschsprachigen Raum in der Minderheit), doch vergleichsweise ist die Akzeptanz kommerzieller Sicherheitsdienste unterirdisch. Allein, das Problem wird nur recht deutlich, wenn man es in weiterem Zusammenhang sieht. Zunächst: Wo die Herrschaft im öffentlichen Raum von der res publica auf private InvestorInnen übergeht, wird per se nicht die Effektivierung des Grundrechtsgebrauchs, sondern die Profitmaximierung betrieben. Sodann: Für kommerzielle Sicherheitsdienste und ihre AuftraggeberInnen gilt, dass Transparenz (anders als – zumindest in der Regel – bei der Polizei) gerade kein Bestandteil ihrer Handlungslogik ist. Das ist ein Kontroll- und Demokratieproblem – unabhängig davon, dass auch der sprichwörtliche polizeiliche Corps-Geist rechtliche Kontroll- und Korrekturinstrumentarien häufig blockiert. Schließlich: Institutionell (durch police private partnerships), informell (durch den alltäglichen gemeinsamen Einsatz) und ideell (durch den umfassenden Trend hin zum unternehmerischen Staat) nähern sich staatliche den kommerziellen Handlungslogiken mehr und mehr an. Private Sicherheitsdienste sind so zwar Ausdruck von Kommerzialisierung und Kommodifizierung der „Ware“ Sicherheit, aber zugleich verändern sie auch die Handlungslogiken staatlicher und „zivilgesellschaftlicher“ AkteurInnen, die sich der Produktion von „Sicherheit“ verschrieben oder dort einen Platz zugewiesen bekommen haben. Die unternehmerische Stadt hat einen vielfältigen Werkschutz.

Fußnoten


  1. Mit dem Begriff kommerzielle Sicherheitsdienste kann erstens zwischen den vielgestaltigen zivilgesellschaftlichen oder vigilanten Formen des Polizierens (wie Neighborhood Watch, Bürgerwehren, Sicherheitspartnern) auf der einen und kommerziellen Sicherheitsdiensten auf der anderen Seite unterschieden werden. Zweitens verdeutlicht der Begriff kommerziell zudem Ziel und Handlungsorientierung solcher Dienste: Profitmaximierung (vgl. Nogala 1995). ↩︎

  2. Unter Neoliberalismus verstehe ich mit Jessop (2002) die Stärkung des freien Wettbewerbs, das Zurückdrängen der Rolle von Recht und Staat, den (Aus)Verkauf der öffentlichen Infrastruktur, die Verbreitung der Marktlogik im verbliebenen öffentlichen Sektor und den freien Handel nach i. Der Begriff Neoliberalisierung soll darauf verweisen, dass es sich dabei um ein aktiv gestaltetes politisches Projekt handelt. ↩︎

  3. Die Zahl der Unternehmen/MitarbeiterInnen im kommerziellen Sicherheitsgewerbe stieg von 325/47.400 im Jahr 1970 über 835/105.000 (1980) auf rund 3.000/200.000 (2005). Der Umsatz erhöhte sich im selben Zeitraum von 314 Mio (1970) über 1,2 Mrd auf 6 Mrd Euro. (Quellen: Olschok (1999, 2004); eigene Berechnungen, z.T. Schätzungen) ↩︎

  4. Es gibt selbstredend Ausnahmen: Für die Befreiung des in Geiselhaft befindlichen Jan Philipp Reemtsma etwa wurde ein privater Sicherheitsdienst zur Lösegeldübergabe beauftragt (vgl. Willenbrock 1998), auch aus den bleiernen 1970er Jahren ist deren Einsatz belegt. Zunehmend verschwimmen die zivilmilitärischen Grenzen: So zog die Söldnerfirma Blackwater Kontingente ihrer Truppen aus dem Irak ab, um sie nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans einzusetzen (Crespo/Scahill 2005). ↩︎

  5. Tätigkeitsfelder kommerzieller Sicherheitsdienste älteren Datums (Auswahl): Absperrdienste, Empfangsdienste, Objektschutz, Sicherheitsberatung, Alarmverfolgung, Fahrzeugbewachung, Personenbegleitschutz, Sicherheitstransport, Altennotruf, Fluggastdienste, Pförtner-/Telefondienste, Sicherungsposten, Arbeitssicherheit, Geldbearbeitung, Raumschutz (elektr.), Technische Meldung, Aufzugsnotruf, Geld-/Werttransporte, Revierkontrolldienste, Türöffnungsdienste, Ausbildung, Kurierdienste, Schiffsbewachung, Urlaubsdienste, Baubewachung, Messedienste, Schlüsselfunddienste, Veranstaltungsdienste, Brandschutz, Museumsdienste, Separatbewachung, Werksfeuerwehr, Datensicherheit, Notrufzentralen, Sicherheitsanalyse, Werkschutz; Neueren Datums: Abschiebegefängnisse, Fahndung, Psychiatrische Kliniken, Verkehrsüberwachung, City-Points, Justizvollzugsanstalten, Quartiersmanagement, Videoüberwachung, Facility Management, ÖPNV, Umweltschutz/Ranger, Zweiter Arbeitsmarkt. (Stober/Olschok 2004; eigene Erhebungen.) ↩︎

  6. Geplante Gesetzesvorhaben scheitern regelmäßig an den Lobby-Organisationen der Branche – und dem willfährigen Bundeswirtschaftsministerium. ↩︎

  7. Diese spezifische Rechtsfigur sowie einige andere Ausnahmetatbestände sollen hier nicht entwickelt werden; vgl. dazu Nitz (2000). ↩︎

  8. Selbst die (verpflichtende) Videoüberwachung beim Public Viewing während der Fußball-Weltmeisterschaft wurde VeranstalterInnenn zur Auflage gemacht, um ein besonders absurdes Beispiel zu nennen, das es der Polizei so allerdings erlaubt, datenschutzrechtliche Begrenzungen zu umgehen (vgl. http://www.presseportal.de/story.htx?nr=799745, [27. März 2006]). ↩︎

  9. Roll-back neoliberalism meint hier die Zerstörung keynesianischer Politiken und Artefakte; roll-out neoliberalism ist demgegenüber von stärker proaktiven Praxen und Elementen zur Verstetigung des neoliberalen Projekts geprägt (vgl. Eick 2006a). ↩︎

  10. Vgl. für die Bundesrepublik http://www.dihk.de/download.php?dload=http://www.dihk.de/inhalt/download/bid_liste.pdf; für Österreich http://web.mit.edu/11.204/www/webportfolio/BID/BID_BIDWeb_Austria.html [2. April 2006] ↩︎

  11. Eine Vielzahl von Wohnungslosen, Trinkern und Trebekids wissen – neben Migrantenjugendlichen – mittlerweile ein Lied zu singen von der integrativen Kraft der „Sozialen Stadt“, werden sie doch durch Quartiersmanagement, Polizei und Non-Profit-Sicherheitsdienste aus den jeweiligen Stadtgebieten vertrieben; auch Träger der Jugendhilfe, so sie eine Kooperation mit der Polizei ablehnen, werden vom QM „angeschwärzt“ und vom Markt gedrängt. (vgl. Eick 2005 für weitere Details) ↩︎


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Literaturliste

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