Iris Meder


Der Begleitpublikation zur Bernard-Rudofsky-Ausstellung des AZW ist die Sorgfalt und Liebe anzusehen, mit der sie editiert wurde. Ein dicker Band ist es geworden, als Cover das Plakatmotiv des fotografierenden Rudofsky-Schattenrisses auf dem Rücken einer indischen Kuh. Dickes, in leichtem Chamois seidig schimmerndes Papier hat man gewählt, allein das Berühren macht Freude. Großzügig ging man mit dem Umfang um, dunkelgrüne Doppelseiten mit Rudofsky-Zitaten trennen die einzelnen Aufsätze.

Monika Platzer gibt die profunde Einführung in Rudofskys Umfeld, Leben und Arbeiten. Es folgt eine praktisch kommentarlose Auswahl aus Rudofskys riesiger Diasammlung zur Lebenskultur unterschiedlichster Kulturkreise, die während seiner zahllosen Reisen entstand. Bereits diese eher dokumentarisch als künstlerisch intendierten Bilder würden einen Rudofsky-Band rechtfertigen. Ebenso gekonnt sind aber Rudofskys an Schiele erinnernde Reiseskizzen und Aquarelle, die Wim de Wits Essay über das Reisen in Rudofskys Oeuvre illustrieren.

De Wit weist auch auf Rudofskys Adolf Loos verwandte Beziehung zur Veränderung hin, der meist völlig brauchbare Dinge bzw. Personen geopfert werden, ohne dass etwas Besseres nachkäme. Nicht zuletzt hier erweist sich Rudofsky als klar in der Wiener Moderne verankert. Noch größere Bedeutung als bei Loos, Strnad und Frank hat bei ihm aber das Thema kultureller Codes und ihrer – unter Umständen auch durchaus positiven – Veränderungen z. B. durch Übernahmen aus anderen Kulturen. Vorbildhaft ist dabei, wie etwa auch bei Frank, die Anonymität der mediterranen Baukultur – bei Rudofsky konkret Santorin, das Thema seiner Dissertation.

Rudofskys entspannte Interpretation der Moderne, bei gleichzeitiger impliziter Modernekritik in geistiger Verbindung mit Loos und Frank, thematisiert auch Andrea Bocco Garnieris Aufsatz, etwa Rudofskys Ablehnung des Gesamtkunstwerks-Gedankens und sein bewusster Verzicht auf Originalitätsansprüche. Eines der zentralen Motive ist dabei das des seitlich und/oder nach oben offenen Raumes, was zugleich ein Verschmelzen von Innen und Außen zur Folge hat – natürlich gleichzeitig wieder ein zentrales Moment der klassischen Moderne. Eine weitere idée fixe des Orient- und Fernost-erfahrenen Rudofsky war der taktile, möglichst nur barfuß zu betretende Boden, wie Felicity D. Scott u. a. anhand von Rudofskys Ausstellungsgestaltungen zeigt – „Für Böden habe ich eine besondere Leidenschaft“, wird Rudofsky zitiert. Offen-bar auch für die Füße, die diese Böden betreten sollten. Das Entwerfen anatomisch sinnvoller Sandalen wurde zu einer Lebensaufgabe Rudofskys. Weitere Hauptübel, neben Absätzen und symmetrischen Schuhformen, waren in Rudofskys Welt Ärmel und Hosen, und hier speziell Knöpfe und Taschen, überhaupt auch das Taillierte, das durch gegürtete Stoffrechtecke ersetzt werden sollte. Den Plan eines Hotelbaus, an dessen Pforte BesucherInnen aus ihren eigenen hinaus und in Hotelkleider schlüpfen sollten, verfolgte Rudofsky ebenso lange wie erfolglos. Hier stoßen seine kultur-reformerischen Bestrebungen an die Grenze des unfreiwillig Komischen.

All das und mehr kann man in einer zusammenfassenden Dokumentation von Rudofskys Büchern nachlesen, einerseits in Reprint-Seiten, deren Layout einen Genuss für sich darstellt, andererseits in übersetzten Text-Nachdrucken. Mehr kann man sich von einem solchen Buch eigentlich nicht wünschen.


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